In der Schweizer Twitter-Szene dreht sich im Moment eine Diskussion um die Anonymität von bestimmten Usern. Einer der Auslöser war das angebliche »Outing« eines Twitterers, bei dem dem Twitterprofil ein Klarname zugeordnet wurde.
Grundsätzlich ist anzumerken, dass es streng genommen nicht um Anonymität, sondern Pseudonymität geht, zumal hinter die Konten oft starke Profile entwickeln, gerade auch in einem politischen Kontext. So ist neben politischen Haltungen oft auch die Wohnregion, das Alter und der berufliche Tätigkeit der betroffenen Profile erahnbar.
In der Diskussion um die Legitimität einer pseudonymen Präsenz treffen zwei Haltungen aufeinander:
- Die eine, prominent vertreten durch SVP-Nationalrat Claudio Zanetti, fordert für die Partizipation an politischen Auseinandersetzungen einen Klarnamen (auch wenn Zanetti diese Forderung meines Wissens nur an Konten mit divergierenden Meinungen stellt).
- Die andere sieht es als ein persönliches Recht an, die Meinungsäußerung von anderen persönlichen Angaben wie Name, Beruf, Wohnort bewusst zu trennen.

Wie der Screenshot aus einer Diskussion dazu zeigt, scheinen beide Seiten darin übereinzustimmen, dass Meinungsäußerungsfreiheit ein schützenswertes Gut ist (für die politische rechte Seite sogar so stark, dass Initiativen gegen Hatespeech oder das schweizerische Antirassismusgesetz auf massive Ablehnung stoßen).
Umstritten ist jedoch, welchen Schutz Individuen für ihre Meinungsäußerung verdienen. Sowohl von rechter wie linker Seite werden Arbeitgeber unter Druck gesetzt, wenn bestimmte Haltungen auf Twitter formuliert werden – ich habe das selber schon direkt erfahren. Hier widerspricht die rechte wie linke Forderung nach starker Meinungsäußerung der Praxis, die Lebensqualität von Individuen für ihre Meinungsäußerung einzuschränken. (Übergriffe sind jedoch von der Meinungsäußerungsfreiheit nicht gedeckt.)
Hinzu kommt das Anliegen, bestimmte Erfahrungen, Emotionen oder Eigenschaften in einem geschützten Raum schildern und diskutieren zu können, ohne dass man in anderen Lebensbereichen damit identifiziert wird.
Um ein Fazit zu formulieren: Wer wirksame Pseudonyme einsetzen will, muss sich gut schützen und klug vorgehen. Es ist nicht einfach, unerkannt zu bleiben – aber möglich, wie der Twitterer Newsmän zeigt. Es gibt sehr starke Gründe dafür, so vorzugehen. Andererseits haben Personen und wohl auch Politikerinnen und Politiker das Recht, nur mit transparenten Profilen in ein Gespräch einzutreten. Zwangshaftes Outing und Druck auf Arbeitgebende sind perfide und unanständig, wenn es um Meinungen geht.