File Sharing: eine persönliche Geschichte

Seit ich Computer nutze, komme ich mit anderen Menschen bei der Suche nach Content in Kontakt. Im Folgenden Beitrag blicke ich auf ein paar Stationen zurück und beschreibe eine aktuelle Praxis. (Kleine Warnung voraus: Wer starre moralische Vorstellungen in Bezug auf Urheber- und Nutzungsrechte hat, sollte vielleicht nicht weiterlesen.)

  • In den 1980er-Jahren habe ich mit Freunden Disketten getauscht, auf denen DOS-Spiele gespeichert waren. (Diese Spiele kann man heute gratis im Browser spielen.) Es ging nicht nur darum, an die Spiele zu kommen – wir mussten für 10-Jährige viel Aufwand betreiben, um den Arbeitsspeicher und die Grafikkarte der PCs unserer Eltern so zu optimieren, dass die Leistung für die Spiele ausreichten. Aus das Umgehen von Kopierschutzverfahren war aufwändig – zumal es keine Foren im Netz gab, auf die wir zugreifen konnten.
  • Ende der 1990er-Jahre war plötzlich alle Musik im Netz verfügbar. Zuvor habe ich zuweilen CDs in schmuddeligen Läden in London gekauft, die halb-offizielle Konzertaufnahmen enthielten – darüber hinaus gab es aber nur einen Teil des Spektrums zu kaufen. Plötzlich ging alles schneller (und günstiger) – und ich verwendete viel Zeit darauf, mich in Foren nach interessanter Musik zu erkundigen, die ich mir mit Napster leicht besorgen konnte.
  • In den 2000er-Jahren passierte dasselbe mit Filmen und Serien (Pornografie war über Napster auch greifbar, aber ganze Filme habe ich auch aus Qualitätsgründen primär in Videotheken bezogen). Ich trat in ein synchrones Verhältnis zu Hollywood und begann Serien zeitgleich mit ihrer Ausstrahlung zu schauen. Bezogen habe ich sie zunächst über Torrents, mittlerweile ziehe ich 1-Klick-Hoster wie Uploaded vor. Das ermöglichte auch die Lektüre und kommentierende Teilnahme an Blogs, die Folgen rezensierten oder auf die nächste vorausblickten; eine Reihe von Kommentarpraktiken in sozialen Netzwerken erschlossen sich. In den Blick rückten zudem auch Serien abseits des Mainstreams.
  • In den letzten Jahren lade ich kaum noch Inhalte runter, sondern streame sie. Begonnen habe ich mit Sportveranstaltungen, im nicht im Fernsehen ausgestrahlt wurden. Oft ist es nicht möglich, in der Schweiz den Zugang dafür zu erwerben. Mittlerweile haben sich auf Seiten wie Reddit Foren darauf spezialisiert, hochwertige Streams bereit zu stellen. Diese werden mittlerweile oft auch in Communities geteilt, in denen sich Fremde aus verschiedenen Ländern verbinden, die einzig das Interesse an einer Sportveranstaltung verbindet. »Respect the Link« ist das oberste moralische Gebot: Werden die Links offen geteilt, können die Rechteinhaber die Streams unterbinden. Es geht also letztlich darum, unbekannten Interessierten den Zugriff zu gewähren, das aber gleichzeitig einigermaßen geheim zu tun. Mittels Passwörtern für DirectTV und Netflix kann ich auch fast alle Serien streamen, die ich schauen möchte (The Good Wife ist die große Ausnahme).

Aus all diesen Situationen lassen sich für mich folgende Überlegungen ableiten:

  1. Ich habe immer kulturelle Inhalte gekauft. Auch aus ideologischen Gründen, meist aber aus praktischen: Musik höre ich übers Smartphone oder über Sonos – Apple Music und Spotify bieten die einfachsten Lösungen. Netflix funktioniert auf allen Geräten und in guter Qualität. Steam ist für Games heute die sicherste und einfachste Lösung.
  2. Verfügbar sind und waren aber immer nur eingeschränkte Selektionen. Erst das Netz hat den Zugriff erweitert.
  3. Content-Anbieter schaffen immer wieder Komplikationen für den Zugang zu Inhalten, welche aber stets aus dem Weg geräumt werden. Seit 30 Jahren erlebe ich eine Erweiterung meiner Möglichkeiten. Für fast alle Maßnahmen – so unfair und lästig sie sind – gibt es Workarounds.
  4. Diese Workaround und die Erweiterung führen immer auch zu sozialen Verbindungen, zu Austauschprozessen. Andere als Ressource zu betrachten – diese zentrale Maxime konnektivistischen Lernens – sie ist die Basis von File- und Stream-Sharing.
  5. Menschen betreiben einen enormen Aufwand, um anderen kulturelle Produkte zugänglich zu machen, die ihnen vorenthalten werden. Mir ist oft unklar, wie und ob sie dafür entschädigt werden.
  6. Informationsethik reduced to the max: Informationen sollen so breit wie möglich zugänglich gemacht werden.
Bildschirmfoto 2016-05-11 um 14.14.08
DOS-Spiele bei Archive.org

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