Fake – »but it’s so real«!

This is an Instagram post that was eventually revealed to be fake, but it’s so real.

Dieses Zitat aus einem Artikel einer amerikanischen Sport-Website fasst ein Phänomen zusammen, das in sozialen Medien Alltag geworden ist: Bilder, Texte und Videos werden auch dann verbreitet, wenn die Vermutung oder der Nachweis nahliegend sind, dass sie nicht das darstellen, was sie vorgeben darzustellen. #fakebutsoreal

In meiner Sisyphus-Mission, das Netz täglich durch meine Kommentare ein wenig zu verbessern, weise ich in Kommentaren oft auf solche Beiträge hin. Die Antworten gleichen sich: »kann schon ein Fake sein, trotzdem cool« / »ist doch egal, ob das stimmt – Hauptsache es ist lustig« / »du hast recht, aber das zeigt trotzdem gut, dass…«.

So zeigen die Selfie-Girls, wie narzisstisch die heutige Jugend ist – obwohl sie lediglich dem Aufruf nachkamen, während eines Baseball-Spiels Selfies zu machen und an einem Wettbewerb teilzunehmen.

Es spricht nichts dagegen, eine kulturelle Analyse mit erfundenen Beispielen zu unterfüttern. Aber die »fake but so real«-Beispiele entwickeln eine Kraft gerade deswegen, weil sie erfunden sind. Ihre argumentative Stärke liegt darin, dass die Realität keine solchen Fälle hergibt – und sie deshalb erfunden werden. So werden Haltungen bestärkt, die vielleicht in einer abgeschwächten Form nicht ganz falsch sind. Das scheint mir gefährlich.

Nehmen wir zum Schluss das Smartphone-Fotoprojekt von Eric Pickersgill. Bei »Removed« zeigt er uns Situationen, in denen er die Smartphones aus den Händen von Menschen entfernt, um »their stare« zu dokumentieren. Wir scheinen also uns dabei zusehen zu können, wie wir auf Smartphones starren. In Kommentaren ist von leeren Blicken, Zombies etc. die Rede. Nur: Diese Blicke gibt es nur in dieser Inszenierung. Pickersgill zeigt uns ein Phänomen, das er selbst inszeniert. Er beobachtet nicht eine Umwelt, er schafft eine.

Bildschirmfoto 2015-10-25 um 22.30.00

Und so zeigen uns all die »fake but so real«-Posts eine Welt, die unsere Meinungen über unsere Umwelt perfekt belegt. Deshalb sind sie ja »so real«. Und wir vergessen gerne, wie »fake« sie sind.

Bildschirmfoto 2015-10-25 um 22.36.24

1 Kommentar

  1. „In der Kunst wird die Wirklichkeit bis zur Kenntlichkeit entstellt“ – so ähnlich hat es Brecht formuliert. Demnach müsste man solche fakes, die vom Betrachter spontan als Darstellung bzw. Überhöhung einer empfundenen Wirklichkeit rezipiert werden, wohl als Kunst bezeichnen. Das Gleiche passiert in der Literatur (Belletristik). Obwohl dem Leser klar ist, dass ein beschriebenes Geschehen so nie passiert ist, wird es dennoch als „tiefere Wahrheit“ , also Darstellung der Wirklichkeit auf einer zweiten Ebene angenommen. Genau so müssen Bilder, die nicht in Sachzusammenhängen wie einem Presseartikel o.ä. veröffentlicht werden, gesehen werden. Bilder stellen nie ein wahres Geschehen dar, bestenfalls einen Ausschnitt davon; oft (wie hier) sind sie arrangiert, bearbeitet, gestellt, um eine ganz bestimmte Aussage zu machen. Ob diese dann als wahr empfunden wird, liegt wiederum im Abgleich der Erfahrungen und dem Lebenshintergrund des Betrachters. Insofern würde ich das Ganze nicht SO kritisch sehen – oder umso kritischer, denn auch „wahre“ Bilder können hetzen, polarisieren… etc. durch ihre Auswahl und Zusammenstellung.

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