Lobos Fake-Rezension: Ein Nachtrag

Heute wäre der Tag, an dem auf der Frankfurter Buchmesse Cybris von Carol Felt vorgestellt werden müsste – der Roman, den Sascha Lobo Ende September im Spiegel euphorisch besprochen hat. Seine Rezension, so mein Fazit damals, sei klar als Fake erkennbar und gleichwohl ein wichtiger Netztext.

Reaktionen anderer auf den Text blieben aus. Erst gestern publizierte Radio Berlin Brandenburg einen Beitrag von Anke Fink dazu. Dort wird Detektivarbeit geleistet:

Nur sind Zweifel angebracht. Obwohl Lobo in einem Video-Interview mit dem „Spiegel“-Autor Volker Weidermann das Buch real in den Händen hält, gibt es weder eine ISBN-Nummer, die Bücher in Deutschland nun mal zwingend brauchen, noch eine englische gedruckte Vorlage, die ja die Basis für das deutsche Buch sein müsste.


Lobo mit Cybris – Screenshot RBB

Heute zog im Handelsblatt  in der Medienmacher-Kolumne nach. Lobo lasse »eine kleine Bombe platzen«, schreibt er.

Lobo will mit der Aktion zeigen, dass selbst hanebüchener Blödsinn als solcher nicht weiter auffällt, sobald er in einem etablierten seriösen Medium erscheint.

Zu dieser Absicht stellt Renner kritische Fragen:

Dennoch hat sich bisher noch kein Medium so recht getraut, Lobos Rezension als das zu benennen, was sie ist: eine Fälschung. […] Liegt die Zurückhaltung tatsächlich daran, dass man einer Publikation der Marke „Spiegel“ mehr glaubt als anderen, insbesondere dann, wenn Autoritäten wie Weidermann und der selbst längst zum Kultur-Establishment zählende Lobo für ein frei erfundenes Stück wie die „Cybris“-Rezension bürgen? Vielleicht ist dem so. Möglicherweise fand aber auch der eine oder andere Journalist die Sache mit der ausgedachten Buchkritik einfach zu läppisch, um sich darüber zu echauffieren.

Wie ich meiner Rezension geschrieben habe, bin ich der Meinung, dass Renner wie auch Fink den zentralen Punkt verpassen. Das Rätsel, ob es das Buch gibt oder nicht, war nicht schwer zu lösen. Interessanter ist die Frage, was den wirklich die Absicht war. Zu zeigen, wie Medienmarken wirken, wäre allenfalls Gegenstand einer Schülerarbeit – zu zahlreich sind die Beispiele, dass das Publikum und der Betrieb etablierten Publikationen viel Falsches abkaufen, wenn es richtig präsentiert wird. Nur fand das hier ja gar nicht statt – es gab keine weiteren Rezensionen, aus bei Turi2.de keine Verweise auf die Lobo-Rezension. Das Echo blieb im kritischen wie im positiven Sinne aus.

Entscheidender scheint mir deshalb die größere Aussage des Lobo-Texts:

Die mehrfache Cyber-Hybris. Lobo attackiert mit seiner Rezension gleichzeitig den etablierten Feuilleton-Betrieb, dessen wichtigste Textsorte er persifliert, und die selbstgefälligen Kreise der digitalen Expertise, die jedes neue Phänomen im Netz zu analysieren verstehen und doch alle Entwicklung hilflos mitvollziehen.

Nachtrag:

1 Kommentar

  1. martinlindner sagt:

    ich hatte beim lesen aber das gefühl, dass sascha das buch auch selber gut fand 😉

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