Gelöschter Beitrag: »Gezieltes Sparen« 

An dieser Stelle habe ich meine Gedanken zu einem Zusammenhang formuliert, der mich belastet: Im Bildungsbereich wird konstant gespart. Eine Ende ist nicht in Sicht. Die Umsetzung der Sparbefehle erfolgt weitgehend nach dem Prinzip des geringsten Widerstands: Dort, wo Einschränkungen politisch verkauft werden können, werden sie vorgenommen – unabhängig von ihrem pädagogischen Sinn. Das frustriert mich.

Im Beitrag habe ich die wirre Idee formuliert, dass digitale Konzepte bei Sparkonzepten einen Beitrag leisten könnten. Das widerspricht aber meiner Überzeugung, dass digitales Lernen pädagogisch getrieben sein muss und nicht über äußere Umstände motiviert werden darf.

Deshalb habe ich meinen Beitrag gelöscht. Wer ihn nachlesen will, kann das hier tun – ich distanziere mich aber davon. (Die Kommentare lasse ich stehen.)

Ich bin davon überzeugt, dass Bildung ein öffentliches Gut ist. Kinder, Jugendliche und Erwachsene brauchen ein breites Angebot an zeitgemäßen, wirkungsvollen Lernumgebungen, die von fair bezahlten und gut ausgebildeten Fachleuten erstellt, umgesetzt, begleitet und betreut werden. Dafür stehe ich ein.

4 Kommentare

  1. Die Kommentare beweisen es – Du hast viele offene Fragen (oder Wunden) angesprochen. Ich finde beide Ansätze weiterdenkenswert: mit Gewinn lese ich die klare Zusammenfassung, wie Bildungspolitik allzuoft läuft.
    Auch deinen Mut, sich zu fragen, wo und in welcher Form wir Lehrpersonen in Interaktion mit den Schüler_innen unersetzlich sind und wo eben nicht, finde ich bemerkenswert. Und den Fokus darauf zu richten, was in unserer Tätigkeit Lern-Qualität ausmacht, finde ich inspirierend (solange ich mich nicht in erster Linie vom Gedanke der Besitzstandswahrung das Wort reden lassen) .
    Die Verquickung der beiden Argumentationen empfand ich hingegen als schwierig.
    Und bin hiermit gespannt auf weitere Fragen Deinerseits (ie guten Fragen treffen den Kern ja oft besser, als die besten alten Antworten).

  2. Caravaggio sagt:

    Oha, ein Artikel mit „Tabu“ im Titel. Das verlangt doch nach Widerspruch (vermutlich auch intendiert). Nun gut, challenge accepted. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen:

    Noch mehr als die Hilflosigkeit im Kampf gegen Bildungsabbau ermüdet mich das PR-Dauerfeuer für die Digitalisierung des Bildungsbetriebs.
    Ein bewährtes Mittel die Zukunft zu gestalten ist ja die Schaffung von sich-selbst-erfüllenden Prophezeiungen. Ich kann schon nicht mehr zählen, wie oft ich das Argument „Die Digitalisierung wird in allen gesellschaftlichen Bereichen unaufhaltsam voranschreiten, DESHALB müssen wir die Digitalisierung vorantreiben.“ gehört habe. Hier nun in neuem Gewand: „Kürzungen im Bildungsbereich sind eine Konstante“, die Digitalisierung ermöglicht finanzielle Einsparungen bei gleich bleibender Qualität (m. E. eine steile These), DESHALB müssen wir die Digitalisierung vorantreiben.“
    Ich halte diesen Gedanken aus mehreren Gründen für fragwürdig:
    Zum einen beobachte ich unter uns Lehrerinnen und Lehrern häufig eine masslose Überschätzung des fachwissenschaftlichen Anteils unserer Arbeit. Das scheint eine Art déformation professionnelle zu sein (die Ursachen hierfür sind einen eigenen Text wert – der wäre aber sehr böse).
    Auch in deinem Text findet man das wieder, wenn die sozialen Beziehungen und die Motivation einer „verantwortlichen Person“, die Online-Fachkurse jedoch „Profis mit vielen Ressourcen“ übertragen werden sollen. Abgesehen von der Frage, ob man die Funktionen überhaupt so trennen kann, spiegelt es auch nicht meinen Arbeitsalltag wieder. Sicher, mit einem Schwerpunktfachkurs kurz vor der Hochschulreife kann man tolle Sachen machen, aber das ist nur ein Bruchteil unserer Berufstätigkeit.
    Um ein Beispiel aus meinem Chemieunterricht zu nehmen: Als ich neulich meiner neuen Fachmittelschulklasse (ca. 16 Jahre alt) gegenüber das Wort „Reaktionsgleichungen“ erwähnte, ging schon ein schweres Seufzen durch die Reihen. Viele von denen kommen in dem Glauben aus der Vorgängerschule zu uns, dies sei unvorstellbar schwer bzw. sie seien zu dämlich dafür. Wenn ich die so weit bekomme, dass sie offen an die Sache rangehen und vielleicht sogar eine Spur von Sinn darin sehen, ist meine Arbeit weitgehend getan, denn auf der kognitiven Ebene ist das Aufstellen einer Reaktionsgleichung leichter als ein durchschnittliches Sudoku aus der Gratiszeitung. Und dies ist kein exotisches Beispiel; jedeR ChemikerIn weiss, dass die Schulchemie nach 2-3 Wochen an der Uni durch ist. Sicher kann man dann zum Üben auch digitale Medien benutzen (und mich dann für diesen Teil nicht bezahlen), aber hat das wirklich ein signifikantes Sparpotential?
    Man darf auch nicht vergessen, dass den vermeintlichen Einsparungen auch wieder Ausgaben gegenüber stehen. Teile davon kann man zwar auf die Eltern abwälzen (BYOD), aber Kosten und massive Abhängigkeiten von der Infrastruktur (Hardware, Software, Online-Angebote) bleiben trotzdem bestehen. Statt Sparmöglichkeiten sehe ich hier eher einen Verteilungskampf zwischen dem traditionellen Lehrpersonal auf der einen, und einer Allianz aus globalen und regionalen Tech-Firmen, IT-ArbeiterInnen und BildungspolitikerInnen mit Profilierungsdrang auf der anderen Seite. Fraglos mit extrem ungleichen Spiessen, wenn ich mir die Unmengen an notdürftig als „pädagogisch“ kaschierten Werbetexten so anschaue, die täglich durch meine Socialmedia-Kanäle prasseln.
    Auffällig ist auch, dass der digitale Hype immer geringer wird, je näher ich inhaltlich meinem Fach komme. Ich habe jedenfalls noch keinen Menschen oder Artikel aus dem Bereich der Naturwissenschaftsdidaktik gefunden (und ich kennen schon ein paar), der sich auch nur ansatzweise so euphorisch zur Digitalisierung der Bildung geäussert hat, wie es auf der allgemeinen bildungspolitischen Ebene in manchen Kreisen common sense ist. Und sag mir bitte nicht, wir seien technikfeindlich.

    Wie gesagt, gilt das alles nur, wenn man die Qualität halten will. Natürlich kann man das öffentliche Schulwesen auch zu einem „fachwissenschaftlichen Automatenrestaurant“ machen. Das ist dann tatsächlich billiger. Aber mal ehrlich, Philippe: Würdest Du Deine Kinder da hinschicken oder doch in die Privatschule mit „echten“ Menschen? Ich glaube, da wird man dann ganz schnell der Architekt, der öffentlich immer die moderne Architektur preist aber mit seiner Familie selbstverständlich in einem modernisierten Altbau der Jahrhundertwende wohnt.

    1. Danke für die ausführliche Replik. Einverstanden: Es gibt in Bezug auf Digitalisierung viel Euphorie, die können wir kippen und ich bereue es, dass dieser Beitrag den Eindruck erweckt hat, ich wolle auf diesem Weg Digitalisierung vorantreiben.
      Mein Argument leitet sich wie deines aus dem Unterrichtsalltag her: Ja, es braucht auch bei mir viel, um Jugendliche dafür motivieren zu können, Zeit für die Lektüre und Analyse schwieriger Texte zu animieren. Aber wenn ich sie soweit habe, verliere ich sie sofort wieder: Weil du in den nächsten Lektionen die Reaktionsgleichungen bearbeitest, sie am Nachmittag Sport haben und überhaupt eine Prüfung ansteht. Für meinen Geschmack dauert die Schule für Jugendliche zu lange – sie verhindert echtes Lernen, echte Vertiefung (das ist ja durchaus ein Konsens in Lehrerzimmern, nur gibt es dafür noch keine einheitlichen oder umsetzbaren Lösungen). Und wenn ich denke, das könnten die Klassen auch zuhause machen, dann muss ich digitale Lösungen basteln, die viel schlechter sind, als sie sein könnten – und merke, dass nur wenige diese Aufgaben mit Engagement lösen.
      Kurz: Ich denke, wir unterscheiden uns in unseren Ansichten nur in einem Punkt. Ich halte es für möglich, einen besseren digitalen Unterricht gestalten zu können, der mit einer guten, persönlichen Begleitung für gewisse Lerntypen einen Mehrwert hat.
      Nun kann man sagen, dass es ein großes Risiko sei, deswegen Sparmöglichkeiten in Erwägung zu ziehen. Und das stimmt. Vielleicht ist es tatsächlich besser, die Salamitaktik so lange es geht mitzugehen und sich ein paar Millionen da, ein paar da abschneiden zu lassen, statt einen Schritt vorwärts zu machen. Für mich setzt die Digitalisierung oft den Druck an den richtigen Stellen an – deshalb begeistere ich mich dafür. In dieser Hinsicht finde ich z.B. die Präsenz der Lernenden an der Schule in gewissen Situationen nicht produktiv und denke, dass hier Veränderungen denkbar sind. Nicht für alle Lernenden, nicht bei allen Fächern.

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