Warum wirkt Barbie-Instagram unheimlich?

Heute Morgen habe ich in einem Facebook-Kommentar gelesen, der Barbie-Instagram-Account @socalitybarbie sei »uncanny«, unheimlich: Er zeige, wie wenig authentisch wir doch in unseren Darstellungen auf Social Media seien – und wie bereit, die schreckliche Realität auszublenden.  Bildschirmfoto 2015-09-07 um 08.59.06

In dieselbe Richtung geht ein Beitrag bei TechCrunch:

Authenticity on social media can be a tough trait to find. The culture on Instagram in particular has made self-obsession pretty much the norm, as people often strive to boil an entire week of their lives into a single photo, ignoring the less glamorous moments.

Als Beispiel für den enormen Aufwand, den Menschen betreiben, um ihre Social-Media-Kanäle zu füllen, wird Kanye West angeführt, der ein Hochzeitsfoto vier Tage lang bearbeitet habe, bevor er es seine Frau habe teilen lassen.

Ich denke, die Argumentation geht in die falsche Richtung: Aussagen von Prominenten und Hochzeitsbilder haben eigene Spielregeln. Prominente und Hochzeitsfeste sind reine Inszenierung: Es gäbe sie gar nicht, wenn es nicht darum ginge, einen bestimmten Eindruck zu erzeugen. Dass also Stars und Trauungen auch auf Instagram Mittel der Selbstdarstellung einsetzen, sollte niemanden erstaunen. Der Eindruck des Unheimlichen kann dadurch nicht erklärt werden.

Bildschirmfoto 2015-09-07 um 09.01.12
Meiner Meinung nach wirken die Bilder nicht deshalb unheimlich, weil sie uns zeigen, dass wir zuweilen nicht-authentisch sind – wann sind wir eigentlich wirklich authentisch? -; und auch nicht deshalb, weil sie uns den Spiegel dabei vorhalten, wie wir Aspekte der Realität ausblenden. Es gibt keine Kommunikation, ohne ein Ausblenden gewisser Aspekte der Realität. Der Positivitätsfilter ist ein allgemeines Merkmal zwischenmenschlicher Interaktion: Wer geliebt werden will, sorgt dafür, dass andere einen guten Eindruck von einem erhalten. Klingt brutal, ist brutal – hat aber direkt nichts mit Medien zu tun.

Der Effekt des Unheimlichen muss meiner Meinung nach anders erklärt werden. Er kann mit Barbies auch ohne Instagram erzeugt werden. Das hat mit dem »uncanny valley« zu tun, einer Theorie des japanischen Roboterforschers Masahiro Mori von 1970. Rücken Roboter oder Wesen nahe an Menschen heran, so würden sie als unheimlich empfunden. (Auch bei post- oder transhumanen Wesen müsste das passieren, meinte Jamais Cascio 2007). Werden nun Barbies so inszeniert, dass sie den Eindruck erwecken, fast Menschen zu sein, entsteht der Effekt des Unheimlichen.

second-uncanny-valley

Das hielt Wittgenstein in seinen Philosophischen Untersuchungen (§420) aus einer anderen Richtung fest:

Aber kann ich mir nicht denken, die Menschen um mich her seien Automaten, haben kein Bewußtsein, wenn auch ihre Handlungsweise die gleiche ist wie immer? – Wenn ich mir’s jetzt – allein in meinem Zimmer – vorstelle, sehe ich die Leute mit starrem Blick (etwa wie in Trance) ihren Verrichtungen nachgehen – die Idee ist vielleicht ein wenig unheimlich. Aber nun versuch einmal im gewöhnlichen Verkehr, z.B. auf der Straße, an dieser Idee festzuhalten! Sag dir etwa: »Die Kinder dort sind bloße Automaten; alle ihre Lebendigkeit ist bloß automatisch.« Und diese Worte werden dir entweder gänzlich nichtssagend werden; oder du wirst in dir etwa eine Art unheimliches Gefühl, oder dergleichen, erzeugen.

Zum Schluss ein Kunstprojekt einer Freundin, die in der Vorweihnachtszeit 2013 Puppen für ihre Kinder inszeniert und fotografiert hat. Man kann leicht vergleichen, was bei Instagram-Barbie und den »Gemelle Sorelle Gloriose« passiert, wirkt, verunsichert. Bildschirmfoto 2015-09-07 um 09.26.06

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