Wir kennen das: Eine Firma verschickt eine vermeintlich falsche Rechnung, ihre Dienstleistung stimmt nicht mit unseren Erwartungen überein, wir brauchen beim Einsatz eines Produkts Hilfe. Dann beanspruchen wir den Kundendienst der Firma.
Als aktiver Social-Media-Nutzer erlebe ich immer wieder, wie Kundinnen und Kunden halb-öffentliche Kanäle wie Facebook oder Twitter dafür nutzen, Kundendienst-Anfragen abzuwickeln. Zunehmend entwickle ich dabei negative Gefühle; mich stört es, wenn das geschieht.
Damit meine ich nicht Fälle, in denen die Halb-Öffentlichkeit von Social Media ultima ratio ist (das habe ich auch schon erlebt). Auch Situationen, in denen die schnellste Kommunikation über diese Plattformen erfolgt und die Wahrnehmung eines Publikums eine eigentlich unerwünschte Nebenwirkung ist, stören mich kaum.

Heute Nachmittag wurde mir bewusst, was mich konkret stört:
- Ein grundsätzliches Misstrauen gegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Unternehmens, deren Aufgabe es ist, Probleme der Kundschaft zu lösen.
- Eine Haltung, bei der nur die Erfüllung einer Maximalforderung eine zufriedenstellende Reaktion eines Unternehmens darstellt.
- Die Weigerung, die Konsequenzen zu ziehen und Verträge zu kündigen und Dienstleistungen oder Produkte anderswo einzukaufen.
- Das Aufrufen von Zeugen für den Fall, dass die Abwicklung der Beschwerde nicht wie gewünscht verläuft.
- Die Vorstellung, als Social-Media-Userin oder -User eine Vorzugsbehandlung einfordern zu können, auf die alle ohne entsprechende Resonanz in sozialen Netzwerken verzichten müssen.
Generell erlebe ich die Haltung oft so, dass beim Abschluss eines Vertrages oder beim Kauf eines Produktes Kundendienst kein Kriterium darstellt, im Nachhinein aber maximale Erwartungen gestellt werden. Diese Erwartungen werden dann wiederum mir zugemutet, der ich in meinen Social-Media-Aktivitäten eigentlich nicht als Zeuge und Druckmittel für unzufriedene Kundinnen und Kunden agieren möchte. Ich fühle mich missbraucht. Das ärgert mich.
Selbstverständlich sind professionelle Unternehmen auf Social Media so aufgestellt, dass sie entsprechende Fälle meistens publikumswirksam so behandeln können, dass ihre Wahrnehmung keinen Schaden nimmt. Ich habe mit Firmen, die das nicht wollen oder können wenig Mitleid (mit ihren Angestellten aber zuweilen viel). Mich interessierten schlicht die Kundenservice-Probleme anderer Menschen nicht. Falls es aber unter den Leserinnen und Lesern Menschen gibt, welche wissen möchten, wie ich mich bei Firmen beschweren – voilà:

Habe schon für verschiedene SoMe Brands Community Management gemacht. Und ja: das Feedback kommt über diese Kanäle viel schneller. Wir hatten auch schon bei einem Brand einen Social Media Kundendienst dahinter, die megaschnell geantwortet haben – innerhalb von 2 Stunden. Da ist eine ganz andere Denke dahinter als beim klassischen Customer Care.
Zudem setzen sich die Community Manager viel intensiver damit auseinander, dass der Kunde happy ist (behaupte ich mal).
Für mich als Community Manager ist es so was von logisch, dass die Anfragen über FB reinkommen. Egal ob die Leute motzen oder happy sind. Ist man auf SoMe, gehört das einfach dazu. Der Brand soll einfach die Direct Message anbieten – was leider nicht alle machen – dann ist auch nicht alles so öffentlich.
Und auch ich schreibe nicht gerne Mails sonders kommuniziere lieber über SoMe Plattformen, wenn das möglich ist. Ist persönlicher in der Regel. Und es ist meine Welt.
Und am schnellsten geht es über Twitter. Mein persönliches Beispiel, welches aber auch schon ein paar Jahre her ist:
Ich musste meine Tochter in der Krippe abholen – aber der Zug hatte Verspätung. Das bedeutet: Der Bus wartet nicht und der nächste wäre eine Stunden später. Ich wäre also sicher mind. 20 Minuten zu spät in der Krippe. Habe getwittert, ob der Bus bitte warten könnte. Und ja – der Busfahrer wurde informiert. Ab 17h kann man ansonsten vergessen, jemanden telefonisch oder per Mail zu erreichen.
Letztens musste mein Sohn auch ausnahmsweise alleine an der Busstation warten. Der Zug hatte aber wieder Verspätung. Habe es wieder versucht mit meiner Bitte per Twitter. Die Antwort kam schnell, aber dieses Mal leider mit der Info, dass sie Busfahrer nicht kontaktieren.
Man muss auch unterscheiden zwischen wirklichen Motzern und solchen Leuten, die einfach lieber über SoMe kommunizieren. Mir stört es somit nicht im geringsten, wenn jemand einfach mal seine Meinung sagt…
Lieben Gruss
Justi
Philippes Beitrag hat mich ziemlich verunsichert, weil ich seiner Argumentation gut folgen kann, mich aber unter den „Publi-Motzern“ wieder erkenne. (Sehhhr selten zwar) Ich habe drei Antworten entworfen, aber keine abgesandt, weil noch Widersprüche vorhanden waren. Nun lese ich den Beitrag von avongunten. Da steht ziemlich genau, was ich unfähig zu formulieren war.
Der Satz, nach dem ich gerungen habe, ist „Aber ich denke eben, dass es sich bei Social-Media-Motzereien meistens nicht um mangelnde Fehlertoleranz oder mangelnde Sozialkompetenz handelt, sondern um ein Zeichen dafür, dass eine Organisation eine systembedingte Arroganz entwickelt hat. „
Beschwerst du dich wirklich über Kundendienst auf schnellen Kanälen oder stört dich nicht viel mehr der Ton, die Erwartungshaltung, das monarchistische Gehabe des Königs Kunde?
Firmen wie O2 gehen ja nicht auf Twitter [oder Facebook], weil sie mal sehen wollen, wie ihre armen SM-Studenten voll gekackt werden, sondern weil sie dort am Puls des Kunden sind. Sie bekommen Rückmeldung, mal nett, mal übel. Sie reagieren selbst schnell auf Fragen und Beschwerden, nehmen den Dampf auf, halten ihn fern von jenen, die das Problem lösen sollen. Ich habe den Eindruck, dass klappt sehr gut – sofern Firmen da nicht einen Feigenblatt-Account haben, was leider zu oft vorkommt.
Die laute Wut, die manch Kunde Verkäufern und Kundendienstlern in die Ohren haut, kommt häufig genug aus der Verzweiflung, es ruhig versucht zu haben, E-Mails geschrieben, angerufen zu haben, aber keine sinnvolle Antwort zu bekommen. Nicht zu vergessen, dass es Firmenmitarbeiter sind, die Inkompetenz auf jeder Ebene nicht nur ausstrahlen, sondern zelebrieren. Da darf man schon mal lauter und ausfallend werden. Auch öffentlich. Auch wenn es möglicherweise erst einmal die Falschen trifft.
Ich bin froh um jede Firma, die ernsthaft Kundendienst über Socal Media anbietet, auch wenn es mal holpert; sie lernen ja noch.
Ich finde auch, dass in Social Media grundsätzlich zu schnell und zu laut über alles mögliche geschimpft wird und auch ich selbst, obwohl sonst eher zurückhaltend mit solchen öffentlichen Negativ-Kommentaren, habe mich gerade dieses Wochenende zu einem Motz-Tweet gegenüber der SBB hinreissen lassen. Ich habe mich auch schon des öfteren gefragt, was es denn ist, was einem dazu bringt sich in öffentliche Dispute mit Kundendiensten einzulassen. Die Gründe sind natürlich Vielfältig und im jedem Fall einzeln zu beurteilen, aber ich denke es gibt folgendes Grundmuster:
1) Oft handelt es sich um den Kundendienst von Organisationen die in Monopol- oder Oligopolsituationen operieren.
2) Die Möglichkeit den Vertrag zu kündigen oder so einfach zu wechseln ist in diesen Fällen nicht wirklich als Option vorhanden. So kann ich als Alternative zwar ein eigenes Auto kaufen, statt ein GA, aber das ist ja nicht das, was ich wirklich will.
3) Solche Organisationen tendieren dazu, technokratisch zu funktionieren. Kunden werden zwar in ausgeklügelten CRM-Systemen als Individuen erfasst, aber durch rigide Prozessorganisation nicht als Menschen, sondern als Objekte behandelt. Man spricht zwar mit einem Mitarbeiter, aber es fühlt sich an, als spreche man mit einem Computer, weil der Kundendienstmitarbeiter nur nach Schemata vorgehen kann und in der Regel keine eigenen Entscheidungen treffen kann. Alle möglichen Varianten der Kommunikation zwischen der Organisation und dem Menschen sind bereits „vorprogrammiert“.
4) Man fühlt sich einem solchen Apparat gegenüber ohnmächtig und hilflos und viele machen die Erfahrung dass die einzige Möglichkeit etwas zu erreichen, laut zu schreien ist. Denn selbst wenn man sich irgendwo per E-Mail oder Telefon auf einen Dialog mit dem Kundendienst einlässt, wird man vielfach mit wenig hilfreichen Standardantworten „behandelt“ und erhält selten eine Entschuldigung oder, noch viel Wichtiger: Den Eindruck, dass irgendjemand in der Organisation sich um das Problem an der Wurzel kümmert.
Nun ist es natürlich richtig, dass Fehler überall passieren können und es ist auch richtig, dass die Kundendienst-Mitarbeiter im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihren Job möglichst gut und im Sinne des Kunden machen wollen. Aber ich denke eben, dass es bei Social-Media-Motzereien meistens nicht um mangelnde Fehlertoleranz oder mangelnde Sozialkompetenz handelt, sondern um ein Zeichen dafür, dass eine Organisation eine systembedingte Arroganz entwickelt hat. Ich finde es darum grundsätzlich gut, dass den Kunden solcher Unternehmen das Instrument Social-Media in die Hände gegeben wurde. Das Machtungleichgewicht zugunsten des Apparates ist auch dann noch immer riesig.
Also ich nutze Social Media, weil es oft schneller geht als E-Mail und einfacher ist am Handy.
Echt jetzt? Das ist einfacher als eine E-Mail zu schreiben? Inwiefern?
Es kommt halt immer drauf an. Es gibt sicher Benutzer, die nutzen die Beschwerde über Social Media aus um, eventuell mehr Gewicht zu erhalten. Die kann man ja muten oder ganz entfolgen. Es gibt aber auch Unternehmen, die fordern das geradezu heraus. Auf allen Kanälen werden Beschwerden und Reklamationen ignoriert, über Social Media ist das gleiche Problem innert Minuten gelöst! Hab ich selber mit einigen Unternehmen erlebt.
Aber stimmt schon, schliesst man einen Vertrag ab, sollte man sich zuvor erkundigen, wie der Kundenservice ist. leider gibt es aber Bereiche in denen man keine Wahl hat wie Kabel-Betreiber und ähnliches…
Ja, einverstanden. Habe viel Verständnis, wenn das nicht anders geht.