Social Media bieten eine Kommunikationsform an, die bestimmte Anreize schafft. Damit ist nicht gemeint, dass sie helfen, Kommunikation zu verbessern – sondern dass sie bestimmte Kommunikationsakte einfacher, andere schwerer machen. In meinem neuen Buch habe ich diese Aspekte wie folgt zusammengefasst:
Unter einer gesellschaftlichen Perspektive liegt die These nahe, dass der halb-öffentliche Status von Inhalten in sozialen Netzwerken einen starken Druck erzeugen: Vorauseilend werden die Urteile anderer in einen Impuls zur Anpassung der eigenen Kommunikation gewandelt. Authentizität geht verloren.
Diese These ist zu wenig differenziert, wie ich im Folgenden kurz ausführe:
- Anpassung ist ein gesellschaftliches Problem, das in Kommunikation in Erscheinung tritt. Eine Gesellschaft kann nicht aus authentischen Individuen bestehen, weil der Zusammenschluss die Preisgabe bestimmter Eigenheiten erfordert. Zudem treten viele Wünsche und Wesensmerkmale erst in der sozialen Interaktion zutage. Gemeinsame Erfahrungen fördern Konformität, lassen aber auch individuelle Züge aufscheinen.
- Soziale Kommunikation schafft daher per definitionem Konformität. Dass der Einbezug von großen Publikation aus Fremden hier bedeutsam ist, bezweifle ich nicht. Aber das Begriffspaar Komformität und Authentizität kann die qualitative Differenz nicht erfassen, weil auch in Briefen und Telefongesprächen nicht mehrAuthentizität nachweisbar ist.
- Die These missachtet, dass Social Media Räume eröffnen, in denen abweichendes gesellschaftliches Verhalten Resonanz und Wertschätzung erhalten kann. Neben vielen Spezialinteressen kann auch der Umgang mit dem eigenen Körper Ausgangspunkt für digitale Kommunikation sein. Im Buch gehe ich auf Essstörungen und ihre Verbindung mit Social Media genauer ein. Auch übergewichtige Jugendliche ohne Essstörung verbinden sich digital, um abseits von sozialen Ausschlüssen ein positives Körpergefühl zu finden. Ein Beispiel dafür ist #pizzasister4lyfe, eine Gruppe Jugendlicher, die auf Twitter, Tumblr und Instagram zeigen, wie sie mit ihrem Übergewicht zurecht kommen.
- Solche Bilder von knapp bekleideten schweren Jugendlichen wurden nun angeblich von Instagram gelöscht. Damit rückt die Politik und das Design der Plattformen in den Mittelpunkt: Social Media können mehr oder weniger Abweichung erlauben, mehr oder weniger Drück erzeugen. Viele Forschungsprojekte untersuchen, wie Jugendliche die Möglichkeiten von spezifischen Plattformen einschätzen. Das ist eine wichtige Arbeit.
Kritik an Social Media ist wichtig. Aber sie darf nicht einfordern, was Kommunikation noch nie leisten konnte.
Authentizität ist die Verarbeitung von Authentizität der Anderen. Sie zu nutzen, um sein eigenes Ich zu erweitern. Was aber tatsächlich passiert: Copypaste. Social Media fördern Copypastepersönlichkeiten.