Heute Abend endet die Fussball-Weltmeisterschaft (der Männer). Wie andere Großanlässe zog auch dieser massive Kritik auf sich: Fußball wird zum Anlass genommen, Geld in sinnlose Infrastruktur und Sicherheitsmaßnahmen zu stecken, das Menschen dringend benötigen – für medizinische Versorgung etwa.
Gleichzeitig ist Fußball ein Teil der (meist männlichen) Sozialisation. Seit der WM 1986 sind wichtige Fußballspiele für mich oft emotional besetzt. Gleichzeitig schafft Fußball einen Raum für Abende und Gespräche, die einen Abstand von Arbeit und Belastendem erlauben.
Knapp zwei Wochen vor dem WM-Start formulierte Regula Stämpfli auf ihrem Facebook-Profil eine Idee, welche die Faszination für den Fußball und das kritische Bewusstsein, dass diese Faszination Menschen schadet, verband: Wer ein Spiel schaut, soll unkompliziert fünf Franken oder Euros nach Brasilien spenden können.
Die Idee packte mich. Ich wollte mithelfen, sie umzusetzen, und schrieb ein paar Mails und führte ein paar Telefongespräche. Das tat auch Regula Stämpfli. So entstand das Projekt, das ich #wmfair nennen wollte – Regula Stämpfli mochte »Social Pay Per View« besser. Wir hatten vor WM-Start eine Homepage, eine Facebook-Seite, Flyer und eine SMS-Nummer, mit der man für Projekte von Terre des Hommes in Brasilien spenden konnte. Eine erste Welle von Postings in sozialen Netzwerken sowie eine Pressemitteilung führte zu einer gewissen Resonanz. Schnell gab es aber auch einige Dämpfer: War das Projekt international ausgerichtet (also vor allem auch auf Deutschland), so verloren wir schnell einen Partner für Spenden in Deutschland. Zudem waren die Erträge aus der ersten Welle geringer, als die Erwartungen daran – auch die Resonanz in den Medien ließ zu wünschen übrig.
Gleichzeitig diskutierte ich mit Dani Graf, Gustavo Salami und Christoph Hess #wmbuzz: eine Plattform, auf der sichtbar wird, wie Menschen die Fußball-WM wahrnehmen. Wir wollten da auch eine Möglichkeit einstreuen, zu spenden. Da ich schon für #wmfair mit dem Verein »Freunde Brasilianischer Strassenkinder« eine Kooperation ausgemacht hatte, war das die ideale Gelegenheit, um auch ein anderes Projekt in den Fokus zu rücken. Mit Dani Graf tüftelte ich dann an Ideen, wie aus einer solchen Idee eine Bewegung werden könnte, die sich in sozialen Netzwerken verbreitete.
Schließlich haben wir eine Kombination von Nominationen und Selfies eingesetzt: An zwei Tagen haben wir aktiv Leute angefragt, ob sie bereit wären, den Spendenaufruf in sozialen Netzwerken zu verbreiten. Damit haben wir mit über 300 Beteiligten dann über 2000 Franken gesammelt – als Ziel hatten wir 5000 angegeben.
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Die Aktion stieß auf vier Formen von Kritik:
- Ich hätte die Idee von Regula Stämpfli mit #wmbuzz gestohlen und sie als die von mir und Dani Graf ausgegeben.
- Das Spenden-Projekt diente allein der Selbstinszenierung.
- Das Hilfsprojekt von Meninos.ch genüge Anforderungen an Transparenz und Nachhaltigkeit nicht.
- WM zu schauen sei keine Sünde und bedürfe keines Ablasses. bzw.
Ablass zu zahlen sei kein Mittel, das einen FIFA-Boykott ersetze. Wer etwas ändern wolle, sollte den Fernseher ausmachen.
Bei 1., 2. und 4. überlasse ich gerne allen das Urteil selbst. Bei 3. bin ich klar anderer Ansicht. Sandra Merlo, die Präsidentin des Vereins, schrieb in einer Email unter anderem:
Unser Verein hat keine administrativen Kosten – weil alle Vorstandsmitglieder und viele weitere Personen gratis mitarbeiten. Die Versand- und Druckkosten für unsere halbjährlichen Newsletter und Jahresberichte bezahlen die Vereinsmitglieder mit ihrem Mitgliederbeitrag. Alle Spenden gehen zu 100 Prozent nach Brasilien. Da haben wir gegenüber grösseren Hilfswerken und NGOs einen Vorteil.
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Mich freut, dass sich Menschen anstecken lassen, etwas Gutes zu tun. Ich bin überzeugt, dass all die unterstützten Projekte vor allem Kindern in Brasilien zu einem besseren Leben verhelfen. Wer noch mitmachen möchte, kann das von der Schweiz aus leicht tun:
Eine SMS mit
wmbuzz 5 an die Nummer 339 schickt 5 Franken zu Meninos; eine mit
wmsocialview 5 an die Nummer 339 schickt 5 Franken an Terre des Hommes.
