FB, »Tanz dich frei« und die Kooperation mit Behörden

In der Nacht auf den letzten Sonntag ist es in Bern zu Ausschreitungen im Rahmen einer Demonstration unter dem Namen »Tanz dich frei« gekommen. In den Medien setzt der Berner Gemeinderat Reto Nause den Fokus auf die Verantwortung von Facebook:

Weil die Organisatoren der Demonstration von der Anonymität der Internetplattform Facebook profiteren konnten, fordert die Politik nun Konsequenzen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern soll in Bezug auf die Ausschreitungen «die Strafbarkeit von Facebook» prüfen, fordert der Geimeinderat. Bei genügendem Tatverdacht soll ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Der zuständige Staatsanwalt liess derweil durchblicken, dass diese Forderung keine Priorität hat (siehe Zusatz).

Dem Staatsanwalt ist beizupflichten, wenn man zwei Aspekte auseinanderhält:

  1. Die Kooperation von FB mit Strafuntersuchungen.
  2. Die Möglichkeit von Behörden, Meinungsäußerungen auf FB zu kontrollieren oder damit verbundene Daten zu erhalten.

Facebook kooperiert in strafrechtlichen Verfahren und gibt Daten an Behörden weiter. Das ist gut so. Aber die Privatsphäre von Usern zu schützen ist gleichermassen ein berechtigtes Anliegen. Wie andere private Verwalter von Daten soll FB auf das Verlangen von Gerichten Daten frei geben – und nicht beliebig mit Behörden zusammenarbeiten und so präventive Polizeiarbeit jenseits von rechtsstaatlichen Verfahren ermöglichen.

Was in der Schweiz aussieht, als könnte es die Ordnung im öffentlichen Raum sicherstellen, dient in anderen Ländern zur Durchsetzung von totalitärer Unterdrückung. Auch wenn verhindert werden muss, dass Krawalle in Städten stattfinden, so darf das nicht dazu führen, dass die Möglichkeit, seine Meinung im Internet kundzutun, auch anonym, eingeschränkt wird – weil das ein wichtiges Grundrecht ist.

Diese Forderung ist zudem Ausdruck einer Projektion: Dass Ausschreitungen wenigen Verantwortlichen zugeschrieben werden könnten, die zu ihnen aufgerufen haben. Gewalttaten, die in Massenansammlungen von Menschen ausgehen, haben komplexe Ursachen. Hier Social Media in den Fokus zu nehmen, ist nicht nur falsch, sondern auch naiv.

Tanz dich frei - FB-Präsenz
Tanz dich frei – FB-Präsenz

4 Kommentare

  1. schwierig. Schließlich ging es hier nicht um das Kundtun einer Meinung, sondern um den Aufruf zu einer Massenaktion im öffentlichen Raum. Wer so etwas tut, gilt als „Veranstalter“ und muss für die (möglichen) Folgen dessen, was er initiierte, verantwortlich gemacht werden, egal ob es sich um Verkehrsbehinderungen, Vermüllung oder Aggressionen handelt. So wie z.B. die Stadt Duisburg nun für die komplette Fehlplanung ihrer loveparade haften muss, und es sich nicht um das Privatvergnügen auf eigenes Risiko eines jeden einzelnen dort handelte, ist jeder, der „Menschenaufläufe“ veranlasst, in gewisser Weise für sie verantwortlich. Demonstrationen müssen a) jedweder couleur unbedingt erlaubt und aber b) angemeldet sein, auch damit Schutz gewährleistet werden kann. Vereine, die ein Fest veranstalten, müssen ggf. auch für eine security sorgen – gerade WEIL Gewalttaten in Menschenmengen komplexe Ursachen haben! Gewiss will der heimische Sportverein keine Schlägerei auf seinem Bierfest, dennoch ist er als Veranstalter verantwortlich für die Sicherheit seiner Besucher.
    anonyme Meinungsäußerung und Anonymität im Netz: ja, unbedingt, halte ich für ein Grundrecht.
    anonyme Aufrufe zu Massenaktionen: waren (in Deutschland) noch nie gesetzlich, wohl gibt es Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit, aber aus o.g. Gründen mit gewissen Einschränkungen (§14 Abs1 VersammlG).
    Die aktuelle Gesetzeslage sollte also ausreichen, um den Missbrauch, der durch facebook wesentlich erleichtert wurde, einzudämmen, auch unter Mithilfe von facebook bei der Strafverfolgung.
    facebook an sich strafbar? Schwachsinn. Hier wird Ross und Reiter verwechselt: facebook ist doch nicht der „Veranstalter“, sondern lediglich die Wand, an die die Veranstaltung quasi „angeschlagen“ wird.
    Fazit: ich weiß nicht wie es in der Schweiz aussieht, aber in Deutschland reicht die Gesetzeslage zur Versammlungsfreiheit vollkommen aus.

  2. seminym sagt:

    Merkwürdig fand ich an der ganzen Sache, dass es sehr schnell hiess „man könne bei FB halt wenig machen, weil … Irland, … Server in den USA, etc.“ – wobei mir nicht klar ist, ob das so von der Polizei kam oder ob die Medien den Unfug (anfangs) so verbreiteten. Es scheint mir doch recht wichtig zu sein, dass SELBST NACH CH RECHT (!) die Daten erst nach Strafanzeige ausgehändigt werden dürfen! Daher wirkt es gleich doppelt falsch, wenn die Polizei zum Voraus bei FB anfragt (und sich danach – erfolglos – tränenreich gibt und FB sozusagen den Schwarzen Peter zuschiebt), ist doch schön, dass FB sogar CH Recht einhält und nicht blindlings, unbegründet sensible Daten herausgibt.

  3. Peter Sigerist sagt:

    Sehr gut & sehr einverstanden, lieber Philippe.

    Einige Politiker/innen möchten am liebsten schon wieder einen gewaltigen Fichenstaatsapparat aufbauen (und insbesondere bei den Migrant/innen sind sie ja schon wieder dran!)

    Liebe Grüsse,

    Peter

    P. Sigerist

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  4. avongunten sagt:

    kommt dazu, dass die klassicshen Massenmedien wohl einen grösseren Beitrag dazu geleistet haben, dass diese Veranstaltung soviel Aufmerksamkeit erhalten hat. Ich habe jedenfalls vor allem durch die massenmediale Verbreitum im Vorfeld immer wieder davon gehört und interessanterweise weniger in meinen Social Media Streams.

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