Am digitalen Dualismus gescheitert – eine Werbekampagne der Post

»Was schreibst du lieber in einem Brief?«, fragt die Schweizer Post die Bevölkerung in einer großen Werbekampagne. Auf der Seite leben-offline.ch doppelt sie nach:

Es ist schöner, einen liebevollen, emotionalen Brief zu erhalten als eine SMS oder eine E-Mail. Und es macht auch mehr Freude, einen solchen zu verschicken. Schreib uns, was du lieber in einem Brief sagst.
Übrigens: Deine Botschaft kannst du auch teilen – über Facebook, Twitter oder E-Mail.

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Es ist unklar, wie sich das Scheitern dieser Kampagne am deutlichsten manifestiert:

  1. Sind es die Computer-Schriftarten, mit denen eine Handschrift simuliert werden soll – weil offenbar selbst die Post, wenn es wichtig ist, eben nicht offline, sondern online schreibt?
  2. Ist es die Tatsache, dass die Offline-Kampagne über eine Homepage mit der Adresse leben-offline.ch läuft – das Offline-Leben also nur online vermittelt werden kann?
  3. Ist es der Aufruf an das Publikum, der Post zu »schreiben« und die Botschaft zu »teilen« – und damit rein digitale Tätigkeiten zu meinen?
  4. Oder ist es die Tatsache, dass einfach niemand mitmacht, und die ganze Galerie auf der Seite mit Beispielen der Werbeagentur selbst gefüllt ist, alle Beispiele mit Computer Fonts in dasselbe Arrangement auf einem Tisch abfüllt werden? (Und wer würde in einem Brief ernsthaft schreiben, dass »keine E-Mail der Welt eine solche Tiefe« zeigt?) [Korrektur am 6. Oktober 2014]. Bildschirmfoto 2014-10-05 um 11.39.41

Kurz: Die Post ist am digitalen Dualismus gescheitert: Sie nahm an, Online- und Offline-Kommunikation gegeneinander ausspielen zu können – und brachte nicht einmal die Werbeagentur Koch Kommunikation dazu, offline einen Brief zu schreiben.

Das Leben ist weder offline noch online, weil wir als Menschen einen Körper haben, der offline ist, und ein Hirn, das online ist. Dass ein analoger Brief heute einen Distinktionsgewinn aufweist, weil er auf das verzichtet, was digitale Kommunikation effizient macht, ist völlig klar. Das ist auch der schlaue Ansatz der Kampagne. Aber leben tun wir deswegen nicht offline. Nie mehr.