Dieser Austausch mit dem Leiter des Instituts für Cyberkriminologie an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg bringt mich dazu, die im Titel gestellte Frage genauer zu beantworten.
Zunächst müssen Elemente der Frage geklärt werden:
- »Sind«
Gemeint ist: Der verantwortungsbewusste, altersgemäße Einsatz, begleitet durch kompetente Eltern. Also diejenigen Kinder, deren Eltern sich überhaupt informieren, wie gefährlich oder nicht gefährlich etwas ist – und die etwas so einsetzen, dass es möglichst nicht gefährlich ist (also den Kindern beim Radfahren einen Helm anziehen). - »digitale Plattformen«
Gemeint ist für mich damit jede Netzaktivität, bei der User-Profile Inhalte und Nachrichten austauschen. Online-Games sind genauso digitale Plattformen wie Social-Media-Dienste etc. - »für Kinder«
6-12-Jährige - »gefährlich«
Das Risiko für eine psychische/physische Verletzung ist pro Stunde Nutzung deutlich größer als beim Radfahren mit Helm oder anderen Aktivitäten, die Eltern für unbedenklich halten.
2019 verunglückten in Deutschland 13’250 Kinder von 6-12 Jahren im Straßenverkehr. Gehen wir davon aus, dass Kinder in diesem Alter pro Tag 60 Minuten im Straßenverkehr verbringen (2007 waren die Zahlen deutlich höher), dann bedeutet das bei rund 4.6 Millionen Kindern in dieser Altersgruppe 0.79 Verletzungen pro Million Stunden. Bei einer Dunkelziffer von deutlich über 50% können wir von 1.5 Verletzungen pro Million Stunden ausgehen.
Jugendliche verbringen in der Schweiz nach eigenen Angaben an Wochentagen mehr als zwei, an Wochenende mehr als drei Stunden im Internet (Quelle: JAMES-Studie 2020). Für die folgenden Berechnungen gehen wir bei Kindern von 6-12 Jahren von einer Nutzungsdauer von knapp 20 Minuten pro Tag aus, die auf digitale Plattformen entfallen.
2020 endeten in der Schweiz 283 »Cyber Sexualdelikte« und 844 Delikte im Bereich »Rufschädigung und unlauteres Verhalten« mit einer Verurteilung – insgesamt waren in knapp 1000 Fällen unter 20-Jährige betroffen. Angenommen, der Anteil der 6-12-Jährigen besteht dabei aus rund 140 Fällen.
Rund 520’000 Kinder verbringen in der Schweiz nach diesen Annahmen pro Jahr 100 Stunden auf digitalen Plattformen: Das ergibt 52 Millionen Stunden. Darauf entfallen 140 Verletzungen. Gehen wir hier von einer Dunkelziffer von 75% aus, dann kommen wir auf 11.5 Verletzungen pro Million Stunden.
Hier stecken viele Annahmen drin – keine der Fragen kann genau beantwortet werden. Die Abschätzung zeigt aber, dass die Nutzung digitaler Plattformen pro Stunde Aktivität für Kinder gefährlicher ist als Straßenverkehr. Was völlig fehlt ist der Aspekt der Begleitung: Betreffen die Delikte bzw. Unfälle Kinder, die sorgfältig begleitet werden oder nicht? Das lässt sich statistisch aufgrund der mir verfügbaren Daten nicht erheben.