Kennt ihr Homescapes? Das Spiel wird auf digitalen Plattformen intensiv beworben. Playrix, das Unternehmen hinter diesem und ähnlichen Spielen, benutzt eine interessante Werbestrategie: Es wirbt mit Spielsequenzen, die im echten Spiel gar nicht vorkommen.

Auf der linken Seite seht ihr die Werbung: Sie suggeriert, man müsse in einem simulierten Haus praktische Probleme durch Entscheidungsaufgaben lösen – tatsächlich handelt es sich beim Spiel jedoch um eine simple Connect-3-Variante (ähnlich wie CandyCrush). Das folgende Video zeigt das noch genauer:
Weshalb ergibt es Sinn, mit etwas zu werben, was so im Spiel gar nicht vorkommt? Wir kennen alle die FastFood-Burger, die zerdrückt und fettig aus der Verpackung befreit nicht so frisch und schmackhaft aussehen wie die auf den Werbeplakaten. Werbung stellt Produkte besser dar, als sie sind. Aber wenn in der Burgerverpackung fünf Broccoli-Stücke steckten, wäre die Werbung des Restaurants wohl ein Eigentor.
Bei Homescapes scheint das nicht so zu sein – das Spiel kann so viele In-App-Purchases verkaufen, dass es weltweit zu den umsatzstärksten Mobilspielen gehört (Platz 9 im Januar 2021).
Warum ist das so?
ReplyAll hat 2020 in einer Folge (letztes Drittel) eine Vermutung formuliert, basierend auf Aussagen des Journalisten Jess Joho, der schon 2017 darüber geschrieben hat. Die Theorie geht davon aus, dass die irreführenden Anzeigen primär Menschen gezeigt werden, die oft Spiele auf Smartphones spielen und Geld für In-App-Purchases ausgeben. Dieser Zielgruppe werden dann Eindrücke von Spielen gezeigt, welche sie gerne spielen würden. Da es diese Spiele aber nicht gibt (und sie zu teuer sind, um sie herzustellen und mit IAP zu monetarisieren), werden die Anzeigen mit Spielen verbunden, die es schon gibt. Diese Heavy User finden dann auch diese Spiele interessant bzw. beginnen zu spielen, in der Erwartung, dass die Spielsequenzen aus der Werbung irgendwann freigeschaltet werden können.
Diese ökonomischen Mechanismen basieren auf der Kultur der Digitalität: Weil es möglich ist, sehr genau und sehr viele Menschen zu erreichen, spielen all die Enttäuschten und Getäuschten keine Rolle. Könnte das FastFood-Restaurant Millionen von Menschen Broccoli so verkaufen, dass sie denken, es sei ein Burger, würden genügend viele wohl den Broccoli nicht nur nicht zurückgeben, sondern sogar mehr davon kaufen. Besonders dann, wenn man recht genau weiß, wer schon in der Vergangenheit Broccoli gekauft hat, aber sehr gerne einen Burger hätte.
Joho fordert in seinem Artikel eine juristische Lösung des Problems: Die irreführenden Anzeigen müssten verboten werden. Im UK ist das bereits geschehen.
Tatsächlich kommt in Homescapes nach jeweils etwa 50 Runden „Connect 3“ eine Runde mit einem „Spiel“, wie es in der Werbung dargestellt wird. Dabei müssen drei Aufgaben hintereinander erledigt werden. Macht man eine davon falsch, darf man das Spiel wiederholen – solange, bis man alle drei Aufgaben richtig gemeistert hat. Man kann also nicht gar scheitern. Dafür gibt es 50 Extrapunkte. Vielleicht wurden diese Zwischenspiele mittlerweile aus juristischen Gründen hinzugefügt. So kann man behaupten, es gäbe die Spielform aus der Werbung ja wirklich.