Was die Elite der digitalen Bildung gerade erlebt…

Wir konnten die Worte nicht mehr hören: »Gerade Sie, die zukünftige Elite unseres Landes, sollten…«. Unsere Lehrer (Frauen nicht mitgemeint) appellierten mit dem Begriff der Elite an die Vernunft meiner Gymnasialklasse, auch an unsere Verantwortung. Wir Teenager wollten nicht zu einer Elite gehören. Wir wussten zwar unbewusst, dass wir aus guten Verhältnissen stammten und keine besondere Angst in Bezug auf unsere Zukunft haben mussten – aber Elite? Und doch: Heute gehören wir fast alle zu einem Segment der Gesellschaft, das man als Elite bezeichnen könnte.

Was ist das, eine Elite? Gemeint ist eine Auswahl, eine Spitze. Ich halte es nicht für zutreffend, diese Auswahl meritokratisch zu definieren – zur Elite gehört nicht, wer die besten Leistungen erbringt, sondern wer bestimmte Auwahlverfahren übersteht, aus welchen Gründen auch immer. Elite bezeichnet eine Form von Privilegiertheit.

Die Elite der digitalen Bildung besteht aus Menschen, die Fachartikel schreiben, im Netz viel Aufmerksamkeit erhalten, Workshops durchführen, Vorträge halten, zu Tagungen eingeladen werden oder gar Barcamps organisieren. Den Reflex, mit dem meine Klasse den Elitebegriff zurückgewiesen hat, kennt diese Elite auch: Niemand möchte gerne als Elite bezeichnet werden.

Aber nehmen wir mal an, es gebe diese Elite und ich gehörte dazu (wiederum: nicht, weil ich es verdient habe, sondern weil ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war). Sie besteht also aus Menschen, denen zugehört wird, wenn sie über die digitale Transformation der Bildung sprechen.

Im Moment dehnt sich die Elite aus: Immer mehr Lehrende haben Erfahrungen mit digitalen Medien gesammelt, weisen echte Expertise auf und haben Projekte verantwortet. Auch Jugendliche äußern sich zu Fragen der digitalen Bildung, publizieren Bücher und halten Vorträge. Unternehmen und staatliche Institutionen fördern Projekte, die sich mit digitaler Bildung beschäftigen.

Was passiert, wenn die Elite so wächst?

  1. Profilierung und Spezialisierung gewinnen an Bedeutung.
  2. Dadurch nehmen Auseinandersetzungen und Lagerbildung zu, weil sie die Chance zu einer Abgrenzung bieten.
  3. Oft sind sie auch mit der Frage nach der Deutungshoheit verbunden – es wird unklar, wer bestimmen kann, aus welcher Perspektive Prozesse analysiert werden.
  4. Vermittlung und Demokratisierung entwerten Errungenschaften: Wer als Lehrerin oder Lehrer vor 10 Jahren auf Twitter oder mit Blogs aktiv war, war eine Ausnahme, die sich einen Kontext eingearbeitet hat, zu dem es zunächst kaum Anknüpfungpunkte im Schulalltag und in der Ausbildung gab. Der Aufwand war groß. Heute ist es vergleichsweise leicht, in die digitale Bildungscommunity einzusteigen.
  5. Prinzipien geraten unter Druck: Die Ideale der digitalen Bildung – sharing is caring, Offenheit, Multiperspektivität etc. – müssen sich an der Praxis messen. Abgrenzung und Profilierung lassen sich oft nicht mit dem verbinden, wofür Personen einstehen.

Wie in einer kapitalistischen Ordnung üblich wächst der Druck auf Individuen, sie werden in Konkurrenz zueinander gesetzt und müssen sich behaupten. Das hat – wie erwartet werden konnte – unschöne Nebenwirkungen und führt zu einer Long-Tail-Verteilung: Wenige sind sehr erfolgreich und können sich behaupten, viele müssen ganz wenig Aufmerksamkeit miteinander teilen.

Das ist eine Ergänzung meiner Analyse zum Hashtag #twitterlehrerzimmer, Ausgangspunkt waren diese Thesen:

Bildergebnis für elite teacher

8 Kommentare

  1. Bob Blume sagt:

    Schließen wir es hier ab: Nur Ergänzungen. Dass das während deines Vortrags geschehen ist, weiß ich nicht. Von mir aus. Alle verstehen den Text gleich? Die Herleitung müsste ich lesen, ist für mich nicht schlüssig, da „lesen“ ja nicht in jedem Kontext das gleiche Verständnis impliziert. Sonst könnte Deutschunterricht nach der 4.Klasse weg (aber wie gesagt, kenne die Ausführungen dazu nicht). Ansonsten verstehe ich deine Ausführungen nun besser. Ganz generell habe ich ein Problem damit, wie du dich über andere – in dem Fall mich stellst. Indem du behauptest, jemand wolle nicht verstehen. Das ist geradezu frech. Aber wollen wir nicht drauf rumreiten, ich will es dir nur rückmelden. Was dies alles nun mit Elite zu tun hat, ist mir immer noch nicht klar. Einfach des Begriffs wegen. Eine Elite hat für mich immer mit Machstrukturen und Machtverteilung zu tun, da bist du doch Experte. Jemand, der einen Workshop hält, soll nun dazu gehören? Oder viele? Wie viele? Das ist für mich alles nicht schlüssig.

    Dass man Lernnetzwerke anhand von Hashtags analysieren kann – geschenkt. Aber inwiefern die nun eine Elite implizieren – ich wiederhole mich – das erschließt sich mir nicht. Zumal gerade deine Konkretisierungen darüber, wo es nun zu mehr Gerangel kommt – bei Buchverträgen in bestimmten monetären Regionen – zeigen, dass hier schlicht nicht die gemeint sein können, die du zuvor noch als Elite bezeichnest. Es ist – im Hinblick auf den Begriff – für mich weder schlüssig noch führt es zu dem Punkt, wo ich sage: Ja, genau das ist der Grund für den Hashtag – die Elite will sich abgrenzen.

    1. Nein, es verstehen nicht alle den Text gleich. Aber jedes Verständnis, das auf einer sorgfältigen Lektüre beruht, ist gleich berechtigt – die Absichten der Autorin spielen keine Rolle. Deshalb ist es auch nicht frech, wenn ich eine Interpretation von Vorgängen vornehme. Ich stelle mich damit weder über dich noch unterstelle ich dir etwas. Ich beobachte einen Zusammenhang und kommentiere ihn.

      Bei der Elite fühlt es sich für mich so an, als müsste ich alles wiederholen. Ich habe recht klar formuliert, was ich mit Elite meine. Wenn ich nun das Gerangel an einem konkreten Ort beschreiben kann, heißt es nicht, dass ich die Elite nur auf diesen Ort beziehe. Dort lässt sich der Effekt einfach am klarsten beobachten. Ich habe heute auf Twitter genauer über die ökonomischen Faktoren gesprochen. Was ich mit den lukrativen Verträgen sagen wollte, ist nur: Wenn du diesen Bereich ansiehst, merkst du sofort, was ich meine. Wenn es um Aufmerksamkeit oder Klicks geht, dann sagen alle: »Ach nee, um Aufmerksamkeit geht es mir nicht.« Dann können wir schlecht darüber reden, obwohl wir beide genau wissen, dass es vielen sehr wohl um Klicks und Aufmerksamkeit geht. Und hier fehlen mir die Daten. Meine Hypothese: Gehen die Klicks runter, lassen sich schnell extreme Positionierungen und stärkere Profilierung beobachten.

  2. Bob Blume sagt:

    Nun auch hier als Kommentar. Weder verstehe ich dein Anliegen noch vermag ich den Kern des Artikels zu erkennen. Das beginnt schon mit der Bezeichnung als Elite. Unschön, ja. Aber dann definierst du die Twitteria als Elite? Als wenn außerhalb von Twitter so viele Menschen wüssten, wer da was sagt. Klar, wäre schön, aber wieso sollte das zu einer Elite führen? Des Weiteren: Wo ist der Reflex dieser Elite? Erinnerst du dich daran, dass du sehr darum rangst, dass keine Strohmänner beschrieben werden sollten? Du meintest, man solle die Leute ansprechen. Dann tu das doch. Wen meinst du? Die, die den Hashtag #twlz nutzen? Das finde ich sehr weit hergeholt.

    Dann zu dem weiteren Absatz:

    Im Moment dehnt sich die Elite aus: Immer mehr Lehrende haben Erfahrungen mit digitalen Medien gesammelt, weisen echte Expertise auf und haben Projekte verantwortet. Auch Jugendliche äußern sich zu Fragen der digitalen Bildung, publizieren Bücher und halten Vorträge. Unternehmen und staatliche Institutionen fördern Projekte, die sich mit digitaler Bildung beschäftigen.

    Ja, und? Wenn es so wäre, ist doch gut. Das ist doch das, was „die Community“ seit Jahren will, oder nicht? Eine Verbreiterung der Diskussion, der Basis. Wieso schnürst du das in den Elitebegriff wieder ein?

    Zu den einzelnen Punkten:

    1. Profilierung und Spezialisierung gewinnen an Bedeutung.

    Ist das schlecht? Ich erkenne das Problem gar nicht. Zumal doch keiner in der Lage ist, alle Themen zu beherrschen…

    2. Dadurch nehmen Auseinandersetzungen und Lagerbildung zu, weil sie die Chance zu einer Abgrenzung bieten.
    Oft sind sie auch mit der Frage nach der Deutungshoheit verbunden – es wird unklar, wer bestimmen kann, aus welcher Perspektive Prozesse analysiert werden.

    Hast du tatsächlich das Gefühl, dass das mehr wird? Diese Lagerbildungen und Auseinandersetzungen gab es zumindest seit ich dabei bin. Und du bist doch noch länger dabei. Ist das nur so ein „Gefühl“? Woran machst du das fest?

    3. Vermittlung und Demokratisierung entwerten Errungenschaften: Wer als Lehrerin oder Lehrer vor 10 Jahren auf Twitter oder mit Blogs aktiv war, war eine Ausnahme, die sich einen Kontext eingearbeitet hat, zu dem es zunächst kaum Anknüpfungpunkte im Schulalltag und in der Ausbildung gab. Der Aufwand war groß. Heute ist es vergleichsweise leicht, in die digitale Bildungscommunity einzusteigen.

    Ja, und? Das ist doch auch wieder gut oder nicht? Nur weil andere dabei sind, wird doch nicht die eigene Leistung abgewertet. Oder als Frage formuliert: Wer sagt das denn? Wer empfindet so?

    4. Prinzipien geraten unter Druck: Die Ideale der digitalen Bildung – sharing is caring, Offenheit, Multiperspektivität etc. – müssen sich an der Praxis messen. Abgrenzung und Profilierung lassen sich oft nicht mit dem verbinden, wofür Personen einstehen.

    Bevor Prinzipien unter Druck geraten, müssen sie sich überhaupt in der Praxis bewähren, oder nicht? Und es ist ja nicht gerade so, als würden alle schule zeitgemäß und digital arbeiten. Will sagen: Auch das ist so, seitdem ich dabei bin. Den letzten Satz verstehe ich dann gar nicht. Profilieren tut sich jeder, der online etwas sagt. Ob er will oder nicht. „Profil gewinnen“, wenn man so will. Was hat das mit dem „einstehen“ zu tun?

    Das alles sind Fragen, die mich wirklich interessieren, weil ich, wie ich auf Twitter schon sagte, das erste Mal überhaupt nichts mit deiner Argumentation anfangen kann. Ich würde mich freuen, wenn du mir helfen würdest, das Ganze zu verstehen.

    1. Ich habe recht klar definiert, was ich mit einer Elite meine. Nicht nur die Menschen, die Twittern – sondern die auf Twitter große Konten mit viel Aufmerksamkeit haben. Ich habe auch ein Beispiel genannt: Mich. Eine Liste mit dieser Elite zu erstellen, ist eine Aufgabe für die Tage, an denen ich Aufsätze korrigieren müsste: Dazu müsste ich wieder Daten einkaufen, auswerten etc. Bringt auch nicht besonders viel. Gehörst du auch zur Elite: Klar.

      Einen direkten Zusammenhang mit einem Hashtag habe ich nicht behauptet. Mein Argument geht so: Weil die bisherige Elite unter Druck gerät, passieren so Dinge wie: Leute versuchen, einen neuen Hashtag zu etablieren. Sie investieren Energie darin, weiterhin zur Elite zu gehören, weil sie unter Druck geraten. Deshalb ist das alles nicht einfach gut, sondern es passieren Dinge, die dann nicht mehr zu den Idealen passen. Nimm den #twlz-Hashtag: Es entbrennt eine Diskussion darüber, dass ein Hashtag inklusiv sein müsste – aber es setzt sich ein nicht-inklusiver durch. Führt nicht näher zu den Idealen.

      Der letzte Satz bezieht sich auf Anderson: https://de.wikipedia.org/wiki/The_Long_Tail

      1. Bob Blume sagt:

        Ich wollte nicht wissen, ob ich dazu gehöre oder nicht. Ich verstehe die Bezeichnung einfach nicht. Auch jetzt nicht. Nicht in dem Sinne, dass ich nicht verstehe, worauf sie zielt, sondern was du damit willst. Und dass die Elite „unter Druck“ gerät verstehe ich auch nicht. Was lässt dich zu so einer Annahme kommen? Der #twlz Hashtag wurde von mir vorgeschlagen (vielleicht auch von jemandem davor, was weiß ich). Ich sagte damals, dass ich ihn kürzer finde. Praktischer. Andere sagten, eben dieser kurze Hashtag ist inklusiver, weil er nicht die männliche Form drin hat. Und nun kommst du und sagst, dass du „von außen“ feststellst: Er wurde nicht erstellt, um zu kürzen, sondern damit die Elite unter sich bleibt? Das finde ich völlig aus der Luft gegriffen. Und noch mehr: Dadurch, dass du ignorierst, worauf es mir in meinem ersten Tweet ankam, wirkt es, als würdest du mir die Unwahrheit unterstellen (nur in Bezug auf den Hashtag).

        Viel wichtiger ist aber: Was ist der Punkt? Wir nutzen nur noch einen Hashtag, weil wir dann inklusiver sind? Es gab einen inklusiven Hashtag, den #edchatde. Der ist implodiert.

        Kurz und knapp: Wenn deine Aussage ist, dass „die Elite“ dazu tendiert „exklusiv“ zu sein, dann müsste es doch Teil der Lösung sein, darüber nachzudenken, was näher an den „Idealen“ ist, die du definierst (und die im Übrigen jene Ideale sind, um die wir – als Community – auch schon seit Jahren ringen).

      2. Ich denke für mich ja schon über Ideale nach. Das hindert mich aber nicht, andere Prozesse zu analysieren. Du schlägst einen Hashtag vor, mit Begründungen. Damit gibst du an, was deine Motive sind. Der Hashtag setzt sich teilweise durch. Ich interpretiere, weshalb das geschehen ist. Das ist genau derselbe Prozess, wie er in dieser Deutschlehrer-Anekdote zu den blauen Vorhängen drinsteckt (»Im Deutschunterricht sprechen wir eine Stunde darüber, was die blauen Vorhänge bedeuten, dabei wollte die Autorin uns einfach mitteilen, dass da blaue Vorhänge hängen…«): Wer etwas tut, versteht die innere Logik dieser Handlung am besten. Wer das von aussen sieht, kann aber Schlüsse daraus ziehen, Bedeutungen reinlegen, die für die Handelnden nicht ersichtlich sind. Von Matt hat in seinen Seminaren immer betont, jeder Leser verstehe einen Text gleich gut wie die Person, die ihn geschrieben hat: Weil sie ihn lesen können.
        Und jetzt meine Interpretation: Ich trage auf einem Barcamp eine Analyse eines Hashtags vor., bei der ich zeige, wer damit wie viel Aufmerksamkeit generiert. Noch während des Barcamps taucht ein Vorschlag auf, diesen Hashtag zu ändern, ihn zu kürzen oder inklusiver zu machen. Abgesehen davon, dass es 2019 keinen Grund gibt, einen Hashtag zu kürzen (außer vielleicht Ästhetik), scheint der Zeitpunkt doch recht auffällig. Meine Interpretation: Das hat mit der Analyse zu tun, es ist eine Reaktion auf die Darstellung der Aufmerksamkeitsverteilung.
        Diese Interpretation kannst du natürlich zurückweisen, kritisieren etc. Es ist meine Interpretation.

  3. Herr Rau sagt:

    >Wir konnten die Worte nicht mehr hören:
    >Niemand möchte gerne als Elite bezeichnet werden.

    In der Schule hat sich all das übrigens geändert. Kein Lehrer (auch keine Lehrerin) käme heute in Bayern auf die Idee, die Klassen am Gymnasium als Elite zu bezeichen; unter anderem sind die Übertrittsquoten zu hoch, neben anderen Gründen.
    Vielleicht wollen die Schüler und Schülerinnen nicht als Elite bezeichnet werden, aber sie bezeichnen sich selbst regelmäßig so, wörtlich und als Umschreibung. In Abimottos der letzten Jahre bezeichnen sich die Jahrgänge regelmäßig als: Adel, Abistokratie, Götter, Diamanten. Als Scherz oder um sich nicht damit auseinandersetzen zu müssen, ob sie eine Elite sind oder sein sollten oder sein könnten?

    (Ich kommentiere hier und nicht bei Twitter, weil ich meinen Kommentaren Gewicht zumesse und sie gerne öffentlich und bleibend statt unverbindlich und bald verschwindend hätte. Zum Hashtag kann ich nichts sagen, weil ich weder mit dem einen noch mit dem anderen arbeite.)

    1. Interessante Überlegung. Ist in der Schweiz wohl ähnlich, obwohl Quoten gleichbleibend tief.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..