Was ein Workshop ist – und was kein Workshop ist

Das wohl häufigste Format in der schulischen Fort- und Weiterbildung ist eine Kombination von Keynote-Vorträgen und »Workshops«. Was ein Workshop genau ist, weiß niemand so genau. Deshalb hier ein Versuch von mir, eine Orientierung zu geben. Ein Erfahrungsbeispiel habe ich hier formuliert.

Was kein Workshop ist

Das ist der einfachere Teil – obwohl sich niemand traut, das direkt auszusprechen (»Das war eigentlich gar kein Workshop« habe ich so noch nie gehört), wissen doch viele Teilnehmende genau, wann eine Grenze überschritten worden ist.

  • Ein Vortrag ist kein Workshop.
  • Eine Q&A-Session ist kein Workshop.
  • Die Möglichkeit, dass alle individuell für sich etwas ausprobieren können, ist kein Workshop.
  • Eine Veranstaltung, die Menschen nicht freiwillig besuchen, ist kein Workshop.
  • Die Teilnehmenden eine Anleitung befolgen lassen, um von Punkt A nach Punkt B zu kommen – wait for it – ist kein Workshop.

Nun kann man darüber natürlich streiten und sagen, das eine oder andere könne sehr wohl ein Workshop sein. Klar, kann man anders sehen, als ich es sehe – im nächsten Teil erfolgt eine Begründung, wie ich zu dieser Position gelangt bin.

Was ein Workshop ist

Ein Workshop aktiviert die Erfahrungen und die Perspektiven der Teilnehmenden, macht sie sichtbar, schafft eine Gelegenheit, dass sich dazwischen Verbindungen ergeben können und zeichnet Möglichkeiten auf, wie die Teilnehmenden zusammenarbeiten können.

Ein Workshop braucht einen Rahmen, den die Verantwortlichen setzen. Sie sorgen für »accountable talk« – also dafür, dass die Teilnehmenden gegenüber sich selbst, der Gemeinschaft, der Sache und dem Rahmen Verantwortung übernehmen können.

Gleichzeitig limitieren die Verantwortlichen die Höhe der Hierarchie. Das bedeutet, dass sie so wenig wie möglich sprechen, dafür sorgen, dass im Raum kein Machtgefälle zwischen den Teilnehmenden entstehen kann. Zudem braucht es ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, einen gemeinsamen Sinn.

Mehr noch: Sie planen auch den Ablauf des Workshops nicht genau oder überhaupt nicht. Sie lassen Überraschungen zu. Ein idealer Workshop ist einer, bei dem etwas passiert, was niemand erwartet. (Und das dann an die individuellen Sinnsuche der Teilnehmenden anschließbar ist.) Ein schlechter Workshop ist einer, der genau so verläuft, wie sich das jemand vorgestellt hat.

Techniken für die Vorbereitung eines Workshops

Nun ist das auf dieser Ebene alles sehr leicht gesagt. Wie mache ich das als Durchführender, wenn ich diesem Ideal genügen möchte?

  1. Ich überlege mir zuerst, was ich im Rahmen dieses Workshops erarbeiten oder herausfinden möchte. Was interessiert mich? Was hat für mich einen Sinn? Was weiß ich noch nicht? Wobei können mir die Teilnehmenden helfen?
  2. Ich bereite Material unabhängig von einem Ablauf vor. Slides sind okay, aber nicht geordnet, ohne Effekte – weil ich nicht weiß, wann ich welche brauche.
  3. Ich schaffe einen Arbeitsbereich, wo im Workshop gemeinsam etwas hergestellt werden kann.
  4. Der Workshop schafft Anschlüsse – das ist die Bedeutung digitaler Medien. Dokumentationen, Links etc. machen die Überlegungen des Workshops für andere greifbar, Projekte können weiterentwickelt werden.
  5. Die Teilnehmenden sprechen zuerst. Das braucht etwas Mut, macht aber ganz klar deutlich: Das ist ein Workshop, hier kann ich mich nicht zurücklehnen. Wer nicht im vorgeschlagenen Sinne mitarbeiten möchte, genießt natürlich alle Freiheiten: Zwang gibt es im Workshop nicht.
  6. Ich bin bereit, Erfahrungen und Perspektiven in ein Kaleidoskop anderer Erfahrungen und Perspektiven einzufügen – sie nicht als Rahmen der Veranstaltung zu betrachten.

Was ich schwierig finde

Nicht in Muster der Erwartung zurückzufallen. Einfach zu reden, ist oft bequem: Das gefällt auch den Teilnehmenden oft.

Die Balance zwischen Freiheit und Orientierung am Rahmen, der Sache, der Gruppe zu finden. Wie geht man mit Menschen um, die zwar berechtigte Anliegen haben, die aber den Interessen der Gruppe oder der Veranstaltung zuwiderlaufen?

Scheitern zuzulassen. Mehr anzustreben, als möglich ist. Ein Ziel vorzugeben, das nicht erreicht wird.

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Symbolbild: Workshop und Teilnehmende (Bild: Marc Böhler)

8 Kommentare

  1. brueedi sagt:

    Ich finde ja Treffen mit Gleichgesinnten auch wunderbar und freue mich schon aufs nächste Nusshof-Fest. Und sogenannte Workshops erlebe ich meist auch so. Es herrscht jeweils eine erwartungsfrohe Stimmung und man und frau hört aufmerksam zu, beschäftigt sich gleichzeitig mit seinem Computer und/oder macht Handnotizen. Von 60 bleiben meist 10 Minuten für eigenes Tun und Fragen übrig.

    Ich war noch nie ein Freund von Workshops als Weiterbildungsform (ich rede immer von Workshops im digitalen Umfeld!). Und wenn es je eine Zeit von Workshops gab, ist diese längst abgelaufen. Lernen findet längst überall und irgendwann statt.

    Auf keinen Fall missen möchte ich die Veranstaltungen, zu welchen ich (und all die anderen TeilnehmerInnen) eingeladen wurde, mich vorzubereiten – selbst zu worken, wo und wann immer es mir passte. Und, und dies vorallem, meine Arbeiten vorgängig des Treffens zu teilen.

    Und dann freue ich mich auf das Treffen und den bestens vorbereiteten Moderator.

    1. Dieses Ideal – Arbeit im Vorfeld, Auseinandersetzung und Vernetzung, *dann* Präsenzphase – habe ich schon sehr oft ausprobiert. In meiner Erfahrung funktioniert es nicht: Die Bereitschaft der Teilnehmenden, wirkliche Arbeit zu investieren, bevor sie die anderen erlebt haben, die fehlt weitgehend. Natürlich kann man dazu einfach einladen und schauen, was passiert.
      In deinem Fall passiert ja auch Folgendes: Du setzt dich mit einem Aspekt einer Veranstaltung auseinander, besuchst dann aber den Anlass gar nicht. Was dann für den »bestens vorbereiteten Moderator« auch wieder eher frustrierend sein kann.

      1. brueedi sagt:

        dein kommentar zielt wie gewohnt daneben resp. auf den mann – und ist wohl auch deshalb falsch. zudem bezweifle auch ich deine „sehr oft gemachten Erfahrungen“.
        meine letzten, sowohl angemeldeten als auch besuchten workshops waren während des bootcamps in freiburg/brsg. und vor 2 wochen in der factory works berlin.
        zur zeit der anmeldung an die tablet days wusste ich nicht, ob ich in thayngen oder berlin wohnen werde. und für die tablet days habe ich entschieden, nicht extra nach rorschach zu fliegen. ich hatte mich vorgängig entschuldigt und mein ticket gratis zur verfügung gestellt.

        und nun zur sache:
        wenn ich meine sus zu einer arbeit eingeladen habe, verstanden sie sehr wohl, dass sie diese einladung mit allen konsequenzen annehmen mussten.
        wenn nun leute zu (nach meinem verständnis) richtigen workshops eingeladen sind, verstehen sie sehr wohl, dass sie mit gemachten hausaufgaben erscheinen müssen.
        https://rueedi.imnusshof.ch/lernenunterwegs/schilf/uebersicht/

        beste grüsse aus dem nach wie vor hochsommerlichen berlin
        beat r.
        https://rueedi.imnusshof.ch/lernenunterwegs/berlin2017/

      2. Ja, die letzte Bemerkung war persönlich: Es geht aber nicht nur um die Tablet Days. Klar kann man eine Veranstaltung auch einmal nicht besuchen – aber du diskutierst hier im Netz bei vielem mit, gesehen habe ich dich aber noch nie. Unterstellung von mir: Das hat Methode, ist kein Zufall.
        Und noch eine Unterstellung: Deine »richtigen Workshops« stellst du dir so vor, durchgeführt hast du sie noch nicht.
        Kann gerne beim nächsten Workshop mal einen Link zur Vorbereitung posten und dann kurz reflektieren, wie gut sich die Teilnehmenden wirklich damit vorbereitet haben.

  2. mebimabo sagt:

    Cool, dass ein Bild von deinen Schülerinnen und dir dann doch brauchbar war. Habe vergessen, zu erwähnen, dass ich mich über Credits freue würde (Bild: Marc Böhler). Aber das möchte ich dir zugleich ersparen. Falls du es für lohnenswert hältst, wäre ein FB-Mention oder ein Sharing von Andreas shebikerider.ch , bzw. von einem kommenden Beitrag von ihr viel wertvoller.

    🙂 Marc

    >

    1. Habe Credits hingeschrieben.

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