Regelmäßig führe ich auf Veranstaltungen »Workshops« durch oder halte Referate bzw. Keynotes. Die damit verbundenen finanziellen Fragen sind für mich zuweilen ein Stressfaktor. In diesem Beitrag nehme ich eine kleine Auslegeordnung vor.
Zunächst muss man sich vor Augen führen, wer Workshops oder Vorträge anbietet. Am einen Ende des Spektrums sind das Menschen, die davon leben. Sie benötigen faire Honorare: Fair in dem Sinne, dass sie nicht nur alle ihre Auslagen damit decken können, sondern auch Altersvorsorge leisten, ihre persönliche Weiterbildung finanzieren und die Investitionen in Netzwerk und Expertise decken können.
Am anderen Ende befinden sich die Menschen, die in einem gut bezahlten Job 100% angestellt sind, an Tagungen oder Events als Weiterbildung teilnehmen und dabei noch ein Zusatzeinkommen generieren, mit dem sie zuweilen für Arbeiten bezahlt werden, die sie im Rahmen ihrer Anstellung schon geleistet haben.
Die meisten Anbietenden befinden sich irgendwo zwischen diesen Polen. Ich auch: Ich habe zwei fair bezahlte Anstellungen, bei denen ich aber meinen Anstellungsgrad so reduziert habe, dass mein nebenberufliches Engagement zeitlich möglich ist.
Hinzu kommt: Die Anbietenden unterscheiden sich in Bezug auf Zeitaufwand und Leistung. Einen »Workshop« (zu diesem Format muss ich mal gesondert bloggen) durchführen bedeutet für die einen, eine Woche Arbeitszeit investieren; für die anderen, auf dem Weg im Zug noch einmal schnell die paar PowerPoint-Folien durchsehen, die sie seit 5 Jahren an jedem Anlass zeigen. Doch das bedeutet nicht, dass das Angebot der ersten Person für die Teilnehmenden wirksamer oder gehaltvoller ist als das der zweiten.
Kurz: Schon auf der Angebotsseite ist der Markt enorm kompliziert.
Kommen wir zur Nachfrageseite. Hier können Modelle unterschieden werden:
Das akademische Modell
Bezahlt werden (allenfalls) Reise, Verpflegung und Unterkunft. Alle Beiträge erfolgen ohne Entschädigung, weil sie Teil der Arbeit der Referierenden sind.
Das faire staatliche Modell
Für Workshops stehen faire und transparente Entschädigungen zur Verfügung, die zu Beginn kommuniziert werden. Die Veranstaltenden haben keinen Einfluss auf die Höhe der Entschädigungen, werden sie nicht ausbezahlt, macht das für sie keinen Unterschied.
Das unfaire staatliche Modell
Für Workshops stehen keine Entschädigungen zur Verfügung – oder solche, die deutlich zu gering sind, um den realistischen Arbeitsaufwand abzudecken. Dennoch wird das transparent kommuniziert und ist für alle Referierenden gleich. Die Veranstaltenden haben oft keinen Einfluss darauf.
Das faire Marktmodell
Entschädigungen müssen ausgehandelt werden. Sie sind nicht transparent; aber es ist für die Referierenden möglich, ein angemessenes bis sehr gutes Honorar zu bekommen. Die Veranstaltenden können ein Interesse haben, Geld einzusparen – im fairen Modell setzen sie es aber im Sinne der Veranstaltung ein (kaufen besseres Essen, wenn sie weniger Honorare zahlen müssen).
Das unfaire Marktmodell
Entschädigungen müssen ausgehandelt werden. Sie sind nicht nur nicht transparent; die Referierenden treten in Konkurrenz um zu geringe Gelder. Wer gut verhandelt, nimmt anderen die Möglichkeit, bezahlt zu werden. Die Veranstaltenden billigen tiefe Honorare, weil das für sie vorteilhaft sein kann.
* * *
Wenn ich eine Anfrage erhalte, gibt es verschiedene Faktoren, welche meine Reaktion beeinflussen:
- Ist das Thema interessant?
- Was wird von mir erwartet?
- Treffe ich interessante Menschen?
- Wie sichtbar ist der Anlass?
- Wann findet er statt?
- Wie viel Zeit muss ich aufwenden?
- Wie (gut) werde ich bezahlt?
Bei der letzten Frage mag ich etwa Schweizer Fachhochschulen: Sie bieten faire Entschädigungen an, die ich nicht aushandeln muss, weil diese von Anfang an auf dem Tisch liegen. Ich weiß, dass eine reale Stunde Arbeit so bezahlt wird, wie das in meinen anderen Anstellungen auch der Fall ist. Auch akademische Settings mag ich: Weil klar ist, dass alle nur aus Interesse an der Sache da sind und niemand an dieser Veranstaltung etwas verdient, sondern es ausschließlich um die Sache geht.
Was ist nicht mag, sind Organisation, die halb-gemeinnützig, halb unternehmensnah sind, und mich mal um eine Offerte bitten; gleichzeitig aber betonen, wie wichtig und förderlich die Sache ist, die sie vertreten. Dann muss ich recherchieren, mir Verhandlungsstrategien überlegen etc. Ich mag auch nicht, wenn Veranstaltende durchblicken lassen, anderen hätten viel mehr als ich gefordert und so deutlich machen, dass sie kein Problem damit haben, mich unter Wert zu buchen. (Dasselbe trifft auch auf einen lockeren Ideenaustausch beim Kaffee zu. Besonders frech ist die großzügig gemeinte Geste, wenn mir jemand nach einer Stunde Arbeit offeriert, meinen Kaffee zu bezahlen.)
Was ist der Wert meiner Arbeit? Ich weiß es nicht, weil das relativ ist. Aber grundsätzlich ist mein Niveau ungefähr das einer Anwältin. Wenn ich wirklich arbeiten muss, will ich auch so bezahlt werden wie eine.
Entscheidender sind aber für mich auch politische Fragen: Wie schaffen wir es, dass Leute, die sich engagieren, gute Leistung bringen und andere voranbringen, auch fair entschädigt werden? Wo muss ich hart sein, wo nachgeben? Wo mit anderen zusammen arbeiten, mich auch über finanzielle Fragen austauschen?
Generell denke ich, wir kommen nur mit Transparenz voran. Erzählen, wie viel wir fordern, wie viel wir bekommen.
P.S.: Auf Facebook wurde bemängelt, ich sei im Post ja selbst nicht transparent. Hier meine Antwort:
Ja, das kann ich nachvollziehen. Weil ich in Deutschland, Österreich und der Schweiz arbeite, ist das schwierig – und weil der akademische und der kommerzielle Kontext sich in meinem Bereich stark überschneiden, ebenfalls.
Wenn mich ein gewinnorientieres Unternehmen anfragt, dann offeriere ich in der Schweiz so zwischen 200 und 250 Franken pro Arbeitsstunde. Für einen kurzen Vortrag (45 Minuten plus Fragen und Anreise) verlange ich im Bildungsbereich im Moment 500 Franken plus Spesen. Das ist die Theorie. Die Praxis ist, dass ich letztes Jahr einmal zwei volle Tage gearbeitet habe (Vortrag plus Panel plus zwei Workshops, alle mit intensiver Vorbereitung) und dafür kein Geld genommen habe – aber für einen kurzen Vortrag auch 1200 Euro bekommen habe. Es ist, wie gesagt, kompliziert.
Danke. Das ist ein wichtiges Thema.
Was für mich noch dazu gehört: wer trägt das Risiko z.B. wenn Veranstaltungen nicht zustanden kommen, weil z.B. TeilnehmerInnen kurzfristig absagen oder sich in der Programmplanung des Veranstalters etwas ändert, worauf ich als Trainerin keinen Einfluss habe?
Aus meiner Seele!!!! 😅