Letzte Woche hielt ich auf einer Tagung in Esslingen einen Vortrag. Dabei habe ich unter anderem gesagt, beim Einsatz digitaler Geräte an Schulen sei oft auch ein Hindernis, dass Veränderungen viel Aufwand erforderten, damit sie schon nur die Arbeitsschritte erlaubten, die vorher problemlos möglich waren.

In der Pause kam ein Lehrer zu mir und sagte, so sei das ja beim Skispringen auch gewesen. Viele Springer hätten Mühe gehabt, mit dem V-Stil dieselben Weiten zu erzielen, wie sie das mit der klassischen Technik geschafft hatten. Tatsächlich zeigt ein Blick in den Wikipedia-Artikel, wie schwierig die Umstellung war: Die Skilängen mussten neu eingestellt und die Schanzentischneigung verringert werden, um Unfälle zu vermeiden. Neben anderen Regeln und veränderter Architektur führte der V-Stil auch zu Magersucht bei den Athleten. Dem Problem wurde wiederum durch eine Regeländerung begegnet.

Tatsächlich hat sich der Stil im Skispringen im 20. Jahrhundert mehrfach geändert – erst beim Parallel- und V-Stil waren aber wissenschaftliche Einsichten entscheidend. Stets waren dabei auch ästhetische Bedenken ausschlaggebend:
Der Flug soll gut aussehen, er soll exakt aussehen. Das war am Anfang nicht zu verbinden mit einem Abspreizen der Beine.
So wurden die V-Stil-Pioniere mit Punktabzügen bestraft, weil ihre Technik nicht den Erwartungen entsprach. Umgekehrt sieht die Parallel- oder Fisch-Technik heute seltsam und unpraktisch aus.
Fassen wir zusammen: Werden neue Verfahren eingesetzt, erscheinen sie zunächst gefährlich und unschön. Anpassungen von Regeln, Erwartungen und Gegebenheiten erlauben ihnen, ihr Potential zu entfalten und die Verantwortlichen zu überzeugen.