Die abgebildete Folie zeigt den aktuellen Stand der Schweizer Schulen in Bezug auf die Ver- und Anwendung von digitalen Endgeräten. Im Folgenden ein kurzer Kommentar, wie die Darstellung zu verstehen ist – dann ein paar kritische Bemerkungen.
Die Schulsozialisation in der Primarschule erfolgt analog. Lernen wird primär über Handschrift und Unterrichtsgespräch eingeführt und eingeübt. In vielen Schulzimmern stehen einzelne Computer, diese werden aber primär in speziellen Szenarien eingesetzt – sie sind ein regelmäßiges Arbeitsinstrument. Genau so wenig haben Hausaufgaben mit digitalen Medien zu tun. In der vierten bis sechsten Klasse gibt es – auf Initiative von gewissen Lehrpersonen – Klassen, die projektartig stärker digital arbeiten und dabei auch Tablets oder Smartphones verwenden.
In diesen Jahren statten Eltern ihre Kinder privat fast vollständig mit Smartphones aus. Zu Beginn der Oberstufe haben praktische alle Schülerinnen und Schüler Zugang zu digitalen Endgeräten. Aus diesem Grund wird oft von externen Fachstellen auch die Gefahrenperspektive an Schulen vermittelt: Sexting, Mobbing und Übergriffe im Netz werden angesprochen und zu Vorsicht aufgerufen.
In der Oberstufe tendieren Schulen dann zur 1:1-Ausstattung: Die Gemeinden finanzieren meist Tablets, die an die Lernenden abgegeben werden. Die Einheitlichkeit ermöglicht so effiziente Schulungen und Lernverfahren; zudem ist die Teilhabe am Unterricht für Eltern mit keinen Kosten verbunden.
An Berufsschulen und Gymnasien setzt sich das Modell der Hochschulen durch: »Bring Your Own Device«. Computerräume werden zunehmend aufgelöst, was Platz und Kosten spart – dafür müssen die WLAN-Systeme sowie der Support ausgebaut werden. BYOD ist keine Sparübung, sondern eine Orientierung an der Realität: Die Lernenden benutzen private Geräte für ihr Lernen – weshalb nicht auch in der Schule?
- Die Verwendung dieser Geräte an höheren Schulen bringt oft nicht die erwarteten Effekte. Die Akzeptanz lässt überraschenderweise nicht nur bei den Lehrenden, sondern auch bei den Lernenden zu wünschen übrig: Grund dafür ist aus meiner Sicht einerseits eine gewisse Orientierungslosigkeit, wie denn die plötzlich vorhandenen Geräte überhaupt genutzt werden sollen (ein paar Hinweise hier) – andererseits aber auch die analoge Schulsozialisation. Schülerinnen und Schüler erwarten von der Schule das, was sie zu Beginn ihrer Schulkarriere eingeübt haben.
- Die private Nutzung von digitalen Geräten erfolgt informell: Junge Menschen vernetzen sich, kommunizieren, unterhalten sich, spielen. Dabei erwerben sie vielseitige Kompetenzen, doch sie tun das nicht systematisch. Der Transfer zwischen privater und schulischer Nutzung ist wichtig – aber nicht unkompliziert. Er erfolgt sowohl im 1:1-Modell wie auch bei BYOD.
- Schulen vernachlässigen generell die digitale Jugendkultur und betonen die Gefahrenperspektive – auch, weil sie für die Verantwortlichen und Betroffenen gravierende Auswirkungen hat.
- Der Lehrplan 21 schafft mit dem Modul »Medien und Informatik« Orientierung und einen strukturierten Einsatz der digitalen Geräte. In anderen Fächern fehlen aber die Angebote von Verlagen. Viele Lehrerinnen und Lehrer sind damit überfordert, eigene digitale Lernumgebungen zu schaffen und zu unterhalten. Verlage können nur vereinzelt attraktive und zeitgemäße Angebote erstellen – oft sind die Lehrbücher einfacher einzusetzen.
- Die hier eingenommene Perspektive geht von der Ebene der Infrastruktur aus: Wie sind Schulen ausgestattet? Damit wird von der Frage abgelenkt, was Jugendliche den eigentlich an Schulen lernen müssen – welche Kompetenzen sie für die Teilhabe an der Gesellschaft benötigen. Ist ist falsch zu denken, Pädagogik komme vor Technik oder Medien. Zuerst kommen Kompetenzen – die nie unabhängig von Medien gedacht werden können.

Gute Ansätze! Der Knackpunkt ist meiner Meinung nach, dass Lehrer nicht erst anfangen müssen sich mit digitalen Unterrichtsmitteln auseinanderzusetzen, wenn sie bereits lehren, sondern schon an der Universität. Die Ansätze die du aufzeigst sind alle vollkommen richtig. Was für digitale Medien setze ich in der Schule ein? Wie kann man Schüler und Lehrer für solche Medien öffnen und wie passen wir den Lehrplan sinnvoll daran an? Diese Fragen sollten aber bereits im Studium angesprochen werden. Lehrer im Schulalltag zu sagen „So jetzt macht mal was mit digitalen Medien, das ist heutzutage wichtig!“ führt nur dazu, dass die meisten Lehrer selbst eingeschüchtert und ratlos sind. Aber bis Universitäten darauf reagieren, vergehen sicher noch Jahre. Gesprochen aus deutscher Sicht, wo Digitalisierung gefühlt erst letztes Jahr im Bundestag angekommen ist. Weiß nicht wie weit Schweizer Unis diesbezüglich sind?
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