Wissensnetzwerke statt Medienkompetenz

Kürzlich habe ich hier einen wichtigen Gedankengang von Danah Boyd zusammengefasst: Das Misstrauen gegen Fachleute und ihre Expertise, zu ihre These, resultiert aus einer falsch verstandenen Vermittlung von Medienkompetenz. Reduziert bedeutet diese Vorstellung von kompetentem Umgang mit Medien (oder »media literacy«) der Zweifel an der Richtigkeit von Informationen, bis sie mit etwas anderem übereinstimmen. Dieses »etwas andere« ist gedacht als Wahrheit, als seriöse Information, wissenschaftliche Erkenntnis, offizielles Statement – de facto handelt es sich aber meist um das eigene Verständnis der Welt. Erziehung zur Medienkompetenz schafft Anreize für Subjekte, Informationen so lange zu misstrauen, bis sie zum eigenen Bauchgefühl passen. So lässt sich erklären, weshalb Ärztinnen und Ärzte zunehmend Probleme haben, Menschen wirksam zu beraten.

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Im gleichen Kontext erschien im Januar auch ein Text von Rolin Moe, der starke Kritik an der Vorstellung von kritischem Denken übt, die sich aus seiner Sicht oft darin erschöpft, bestimmte Formen von Content abzurufen – genau so, wie das in der Unterhaltungsindustrie der Fall ist. Moe schreibt als Fazit:

Information today is content, a consumable whose truth value is measured in page views. To combat this, the validation of knowledge must be localized, shared in communities between engaged citizens.

Dieser Forderung schließe ich mich an. Die omnipräsente Forderung nach »Medienkompetenz«, die häufig nicht viel mehr sagt, als dass andere sich so verhalten sollten wie man sich selbst verhält, sollte ersetzt werden durch die Forderung nach diversen Wissensnetzwerken. Wer Menschen kennt, denen er oder sie Fragen stellen kann, mit denen kontroverse Diskussionen möglich sind, die andere Perspektiven einbringen und so auch Korrekturen an der eigenen Sicht der Welt einbringen können, kann sich gegen Manipulationen, Verzerrungen und Filterblasen wirksam wehren.

Vermittelt werden müsste also an Schulen und in anderen pädagogischen Settings, wie solche Netzwerke aufgebaut und unterhalten werden. Wie entsteht – auch in digitaler Kommunikation Vertrauen -, wie wird Wertschätzung formuliert, was sind wirksame Verfahren, um mit Konflikten umzugehen? Vermittlung dieser Fertigkeiten meint nicht ein Lehren, sondern ein gemeinsames Tun. Klassen sind kleine Wissensnetzwerke, die aber so offen gehalten werden sollten, dass eine Vielzahl weiterer Knoten geknüpft werden kann.

1 Kommentar

  1. brueedi sagt:

    „Klassen sind kleine Wissensnetzwerke, die aber so offen gehalten werden sollten, dass eine Vielzahl weiterer Knoten geknüpft werden kann.“

    Du sprichst mir aus dem Herzen respektive aus meinem Forderungskatalog, welcher für jede Klasse ein Multi User Blog System verlangt, in welchem die SchülerInnen ihr Wissen und Können nach innen und insbesondere nach aussen vernetzen.

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