Rezension: »Mehr als o und 1« 

Nach »Digitale Kompetenz« von Hartmann und Hundertpfund ist »Mehr als 0 und 1« das nächste Buch des HEP Verlags, hinter dem ein kompetenter Informatik-Didaktiker steht und das sich der Frage annimmt, wie Schulen mit dem Leitmedienwechsel umgehen sollen. (Hier kann man das Buch kaufen.)

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Der Begriff des Leitmedienwechsels, den Beat Döbeli Honegger konsequent verwendet, ist auch Ausgangspunkt seines Buches, das von allgemeinen gesellschafts-politischen Überlegungen zu konkreten schulischen Fragen fortschreitet. Dabei greift Döbeli auf den Stil zurück, den er auch im Netz seit langer Zeit pflegt:

  1. Er bringt die wesentliche Punkte knapp und klar auf den Punkt.
  2. Sein Wissensnetzwerk bildet er mit Verweisen auf Fachliteratur konsequent ab.
  3. Vor der Entwicklung eigener Haltungen sammelt er die ganze verfügbare Breite an Argumenten.
  4. Seine Ausführungen bleiben stets konstruktiv und optimistisch, er blendet Probleme nicht auf, bläht sie aber auch nicht auf, er verspricht nicht Revolutionen, sondern stellt Potential nüchtern und kritisch dar.
  5. Sein Denken ist eigenständig: Man kennt viele der Überlegungen aus dem Buch, hat sie aber in dieser Zusammenstellung und Form noch nie gelesen.

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Am Beispiel der Frage, wie die Schule auf den Leitmedienwechsel reagieren soll, lässt sich die Technik des Sammelns von Argumenten gut nachvollziehen. Es wird sichtbar, dass eine Antwort stark von den Annahmen abhängt, welche Schule insgesamt prägen. Debatten verlieren einen polaren Charakter, wenn sie in verschiedene Perspektiven aufgebrochen werden.

Das schafft Döbelis Buch ganz ausgezeichnet: Die Grundsatzfrage, ob digitale Werkzeuge an Schulen genutzt werden sollen, wird mit »mehr als 0 und 1« beantwortet – es geht um mehr als um richtig oder falsch, ja oder nein. Daran ändern auch die 60 Gegenargumente nichts, die Döbeli in den Anhang gepackt hat – im Gegenteil: Sie heben sich gegenseitig auf und zeigen, dass viele Fragen schlicht falsch gestellt sind.

Die in Fachkreisen allgemein akzeptierte Schlussfolgerung lautet, dass die Frage »Was bringen digitale Medien ?« in dieser allgemeinen Form falsch gestellt ist, beziehungsweise dazu keine pauschale Antwort möglich ist. Es sind nicht ( digitale oder analoge) Medien per se, die einen didaktischen Mehrwert bieten, sondern die geschickte Kombination aus Unterrichtsmethode, Inhalt und Medien. Auch die Wandtafel führt nicht automatisch zu besserem Unterricht. Es sind gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, die wissen, wann und wie Medien lernförderlich eingesetzt werden können.

Sind WWW, Wille, Wissen und Werkzeuge die Voraussetzung für einen erfolgreichen Leitmedienwechsel an Schulen, so gehören für Döbeli auch die Einwände und Kritiken zum Übergang dazu: Der Wille und das Wissen zeigen sich auch daran, dass man immer wieder Antworten auf Gegenargumente findet. Bildschirmfoto 2016-04-04 um 15.12.47

So prägnant und originell das Buch geschrieben ist, so ist es für eingefleischte Digitalisierungsfachleute primär aufgrund seiner Klarheit lesenswert – ansonsten richtet es sich stärker an breiteres Publikum von Schulintereressierten, das sich orientieren möchte. Eine Ausnahme bietet dazu Döbelis Darstellung der Schule der Zukunft – was müssen Schülerinnen und Schüler noch lernen, wenn doch scheinbar alles im Netz steht? Bildschirmfoto 2016-04-04 um 15.09.54

Solche Sammlungen von Argumenten machen wir die Grafiken das Buch enorm übersichtlich und attraktiv zu lesen. Die Kapitel können alleine gelesen werden, sind aber argumentativ durch große Klammern zusammengehalten.

Döbeli ist ein begnadeter Erklärer. Im Anhang stellt er die Gesetze der Digitalisierung in knappster Form dar. Auch wenn die Icons hier oft einen ornamentalen Charakter haben, weil sie ohne Text nicht verständlich wären und zu wenig oft gebraucht werden, so ist gehört dieser Teil für mich auch zu den stärksten, weil er die Perspektive der Informatik mit den sozialen Hintergründen der Digitalisierung verbindet. Und so wird auch dem Buch ein Plädoyer für einen reflektierten Umgang mit Informatik an Schulen. Wer es gelesen hat, weiß, wie das gehen könnte, warum es passieren muss und was es zu beachten gibt.

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6 Kommentare

  1. Beat Rüedi sagt:

    Mir gefällt der Begriff „Leitmedienwechsel“ darum nicht, weil ein Wechsel ein „von nach“ bedeutet.

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