Als ich ein Kind war, haben wir oft Urlaub in einem Bergdorf gemacht. Unsere Wohnung wurde nicht nur mit Holz geheizt, auch der Herd wurde mit einem Feuer erhitzt. Einmal gab es in jedem Urlaub gebratene Bananen mit Schlagsahne. Meine Eltern haben die Sahne abwechslungsweise mit einer Gabel geschlagen, weil es kein Rührgerät gab.
Damals war das romantisch, es war Urlaub. Im Alltag hätten meine Eltern keine Sahne geschlagen, wenn sie es mit einer Gabel hätten tun müssen. Genauso fühlen sich für mich viele schulische Beschränkungen der KI-Nutzung an: Eigentlich würden alle Menschen, die Zugang zu KI haben, bestimmte Aufgaben mit einer KI erledigen. In der Schule dürfen sie das aber nicht, obwohl es damit viel leichter ginge.
Ein Verbot von KI kann man in pädagogischen Settings auf zwei Arten begründen. Entweder geht es um die Methodenkompetenz, bei der ein bestimmter Prozess durchlaufen wird, der durch die KI übersprungen wäre. Wer etwa bei einer Mathe-Aufgabe abschätzen soll, ob sie überhaupt lösbar ist, tut das nicht, wenn sie direkt an eine KI übergeben wird. Oder aber es geht um basale Kompetenzen, die Schüler:innen auch erwerben sollen, wenn sie nicht auf eine KI zurückgreifen können.
Das Problem mit beiden Begründungen: Es ist nicht abschätzbar, ob dieser Prozess und diese Kompetenzen auch dann bedeutsam sind, wenn der KI-Einsatz bei allen Aufgaben verbreitet ist. In einer historischen Situation, in der elektrische Rührgeräte nur wenigen Menschen zur Verfügung standen, wäre es durchaus sinnvoll gewesen zu verlangen, dass alle, die kochen wollen, lernen, Sahne ohne elektrische Unterstützung zu schlagen. Heute ist es das nicht mehr. Methoden und Kompetenzanforderungen wandeln sich.
Aktuelle denke ich mit Kolleg:innen darüber nach, wie ein Schreibformat aussehen könnte, bei dem Schüler:innen nur in einer Teilaufgabe KI nutzen dürften – und einen Text ohne KI-Unterstützung schreiben sollen (einen ersten Vorschlag findet ihr hier). Schüler:innen fragen bei der Reflexion dieser Aufgabe: Warum sollten wir das überhaupt machen? Was bringt es, einen Text ohne KI zu schreiben? Auf diese Frage habe ich heute noch Antworten. In einem Jahr aber vielleicht nicht mehr.

KI hat kein Wissen, KI schafft kein Wissen, und Menschen werden dümmer, wenn sie KI nutzen.
Die Überschrift dürfte der unsinnigste und gefährlichste Müll sein, den ich bisher über KI gelesen habe.
„Was bringt es, einen Text ohne KI zu schreiben?“ Oekologisch sehr viel.
Vielleicht ist dies verwandt mit der jahrzehntealten Frage, warum heute immer noch Kopfrechnen gelernt wird, obwohl es Taschenrechner gibt und alle Menschen praktisch immer Zugang zu einem Taschenrechner haben?Verallgemeinert: Welche Tätigkeiten/Kompetenzen muss ich auch ohne (digitale) Werkzeuge beherrschen, um darauf aufbauen zu können, um zu verstehen, was eine Maschine macht und ein Gefühl für das Problem / die Materie zu bekommen?Was wir vor Jahrzehnten mit dem Taschenrechner im Kleinen diskutieren mussten, kommt jetzt in massiv grösserer Form mit generativen Maschine-Learning-Systemen auf uns zu.
Hallo Philippe,
danke für deinen Beitrag. Ich kann hier einen Gedanken beisteuern, der mich gerade beschäftigt – es ist nicht direkt dazu passend, aber es lässt sich damit glaube ich auch in deinem Fall weiterdenken.
Also: Ich habe lange die These vertreten, dass im Kontext von Technologie bzw. spezifisch KI originär menschliche Kompetenzen wichtiger werden. (= Wir sollten beim Lernen nicht auf etwas orientieren, das Maschinen besser können.)
Inzwischen bin ich mir unsicher, ob das stimmig ist. Denn je weiter technologische Entwicklung geht, desto mehr werden ja mit dieser Perspektive Kompetenzen hinfällig, die zuvor ‚originär menschliche Kompetenzen‘ waren. Aktuell so etwas wie ein Gespräch führen, zunehmend auch so etwas wie ’sich in eine andere Person hinein zu versetzen‘, also so etwas wie Empathie, was Sprachmodelle schon jetzt ein bisschen, aber zukünftig wahrscheinlich immer besser simulieren können. Soll ich dann pädagogisch nach neuen ‚originär menschlichen Kompetenzen‘ suchen oder ist es nicht der bessere Weg, zu überlegen, was wir finden, was wichtige menschliche Kompetenzen sind und dafür sorgen, dass die Nutzung/ Ausübung dieser Kompetenzen gesamtgesellschaftlich wertgeschätzt wird und somit auch individuell eine Bedeutung haben kann.
Übertragen auf dein Bild: Sehr wahrscheinlich ist es tatsächlich Unsinn, Sahne immer mit der Gabel zu schlagen. Vieles, wo KI hinsteuert, scheint mir aber doch zunehmend etwas zu sein, was für mich Menschsein ganz zentral ausmacht – und was ich deshalb nicht an Maschinen übertragen will, auch wenn das vielleicht effizienter ist.
Ich schreibe das sehr fragend, weil das in der Tat auch nostalgische Verklärung von Technologiefreiheit sein kann. Hast du eine Einschätzung dazu?
Viele Grüße
Nele
https://news.ycombinator.com/item?id=44286277
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