Sachbücher mit KI oder Podcasts zusammenfassen

In meinem Alltag schaffe ich es zeitlich oft nicht, ganze Sachbücher zu lesen – obwohl ich für meine berufliche und persönliche Entwicklung darauf angewiesen bin, zentrale Argumentationen und Thesen nachvollziehen und verstehen zu können. Weil mich oft nur ein bestimmter Aspekt eines Sachbuches interessiert (und weil viele Sachbücher zur Vermarktung mit Episoden und Storytelling aufgeblasen werden), habe ich Verfahren entwickelt, um Sachbücher zu verdichten oder sie fokussiert rezipieren zu können. (Selbstverständlich habe ich oft Sachbücher auch als Hörbücher gehört, dadurch erfolgt aber nur sehr selten eine Verdichtung.) Zwei Verfahren stelle ich in diesem Artikel kurz vor und diskutiere sie.

Voraussetzungen

Ich gehe davon aus, dass ich Zugang zu allen digitalen Versionen eines Sachbuchs habe:

  1. Zur Audio-Datei des Hörbuchs (viele sind in meinem Spotify-Abo enthalten, ich habe zudem ein Audible-Abo, das mir ein Buch pro Monat freischaltet).
  2. Zu einer .epub/.pdf-Version des Buches (ohne DRM-Verschlüsselung). Wenn ich das Buch in einer Version gekauft habe, erlaube ich mir, entsprechende Files über Annas Archive runterzuladen (in der Schweiz ist das meines Wissens legal möglich).
    Ich konvertiere die .epub-Versionen mit freepdfconvert.com zu pdfs.

Zudem nutze ich kostenpflichtige Abo-Version der erwähnten KI-Tools.

Die Podcast-Methode

Ein Schüler von mir hat «Verkaufte Zukunft» von Jens Beckert gelesen. Um mich auf ein Gespräch mit ihm vorzubereiten, habe ich zunächst die Podcast-Methode angewandt. Sie geht so:

  1. Ich suche ein Gespräch, in dem Autor:innen ihre Bücher vorstellen.
    In diesem Fall habe ich den Podcast des Suhrkamp-Verlags benutzt, in dem das Buch vorgestellt worden ist.
  2. Ich höre mir die Podcast-Folge an und notiere wesentliche Aspekte und Zitate (manchmal mit Screenshots, um den Podcast dann am Laptop noch einmal nachzuhören).
  3. Ich lese für mich wichtige Passagen im Buch nach.

Insgesamt brauche ich so meist eine Stunde für Schritte 1 und 2 und eine Stunde für Schritt 3. In zwei Stunden hätte ich ein Sachbuch von über 200 Seiten nicht gelesen. Hinzu kommt, dass im Gespräch oft auch schon kritische Perspektiven und Reaktionen auf das Buch eingebracht werden.

Die KI-Methode

Seit ich Perplexity intensiv nutze, erstelle ich oft auch ausführliche Zusammenfassungen mit diesem Tool. Dabei nutze ich die «Deep Research» Funktion in Kombination mit dem EBook-File, das ich hochlade. Juristisch ist das sicherlich ein Graubereich, sehr wahrscheinlich erwerbe ich mit dem Buch nicht die Rechte, das von einer KI bearbeiten zu lassen – gleichzeitig ist das eine sinnvolle Form der Lektüre.

Perplexity kann aus Sachbüchern eine Seite generieren, die eine strukturierte Zusammenfassung enthält. Das sieht im Beispiel von Beckert dann z.B. wie folgt aus:

Diese ausführlichen Zusammenfassungen kann ich in 30 Minuten erstellen und lesen. Ein paar Bemerkungen dazu:

  1. Die Zusammenfassungen beziehen Rezensionen und Zusammenfassungen im Netz mit ein – sie sind als umfassender, als es eine reine Lektüre sein könnte, weil bereits kritische Aspekte einfliessen.
  2. Ich kann in der KI spezifisch nachfragen, wenn mich etwas interessiert.
  3. Perplexity fügt automatisch Zitate mit Quellennachweisen ein, ich kann das aber auch explizit verlangen.
  4. Nicht immer ist alles auf Deutsch formuliert, gewisse Teile werden auf Englisch eingefügt.
  5. Ein Problem ist das zu kleine Kontext-Fenster: teilweise kann Perplexity nicht das gesamte EBook in die Bearbeitung mit einbeziehen, sondern nur einen ersten Teil. Dann fehlen teilweise Abschlusskapitel oder sie werden durch vage Rechercheergebnisse ausgefüllt. Perplexity gibt das nicht klar an, User:innen müssen es merken und dann mit Tricks arbeiten (z.B. einzelne Kapitel noch einmal separat hochladen).
  6. Mit NotebookLM könnte ich auch einen Podcast generieren, der Wesentliches zusammenfasst. Er ist aber viel künstlicher als ein echter Podcast mit einer Autorin oder einem Autor.

Ist das ein Verlust?

Die Vorstellung, man müsse ein Buch integral lesen, um darüber diskutieren zu können, halte ich für falsch. Beide Methoden führen dazu, dass ich zentrale Thesen, Begrifflichkeiten, Beispiele und Verfahren aus einem Sachbuch genau genug kennen lerne – insbesondere deshalb, weil beide Methoden mit der Möglichkeit gekoppelt sind, Stellen im Originaltext nachzulesen.

Verloren gehen oft Anekdoten, Nebenbemerkungen, stilistische Eigenheiten von Autor:innen. Für einen genauen Eindruck sind die auch wichtig, oft sind es ja auch solche Details, die einem bleiben. Ich verwende meine Lesezeit und -energie aber lieber auf literarische Texte, wenn es um solche Aspekte geht, weil wenige Sachbücher hier dasselbe Niveau erreichen wie Belletristik. Zudem werden, wie einleitend bemerkt, solche Bestandteile oft in Sachbücher eingefügt, um sie aufzublasen – die Funktion meiner Methoden ist ja, diesen Ballast wegzulassen.

2 Kommentare

  1. Avatar von Unbekannt Anonymous sagt:

    Es ist davon auszugehen, dass der Schüler ähnlich vorgeht, um das Buch nicht in vollem Umfang lesen zu müssen, denn für eine Diskussion darüber ist das nicht notwendig. Konsequenterweise müsste also die Aufgabenstellung angepasst werden.

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