Cory Doctorow hat den Begriff Enshittification für Plattformen geprägt. Er beschreibt damit einen drei- bzw. vierstufigen Prozess des Zerfalls:
It’s a three-stage process: first, platforms are good to their users. Then they abuse their users to make things better for their business customers. Finally, they abuse those business customers to claw back all the value for themselves. Then, there is a fourth stage: they die.
Doctorow meint mit Plattformen eine Software, mit der Geschäfts- und Privatkunden vermittelt werden und ins Geschäft kommen können. Das klassische Beispiel dafür ist Facebook: Zuerst hat es den Privatkund:innen einen hohen Wert geboten, sie konnten sich mit ihren Bekannten online vernetzen und Interessensgruppen bilden. Dieser Wert wurde dann monetarisiert, indem Werbung an Anzeigekund:innen verkauft wurde (teilweise auch Daten, die sich aber als fast wertlos herausstellten). Mittlerweile ist die Plattform praktisch unbrauchbar, sowohl für Nutzer:innen als auch für Werbekund:innen: Zu viel ungenaue Werbung beeinträchtigt den Nutzen der Plattform massiv, so dass Werbung nur einen geringen Effekt entfaltet und gegenüber Alternativen schlechter abschneidet.
Der Prozess der Enshittification hat sich ausgehend von Plattformen auch auf andere Unternehmen ausgedehnt. In einem Artikel für die Financial Times erklärt Doctorow, wie das passieren konnte: Mittlerweile sind alle Unternehmen so stark von Software geprägt, dass sie sich wie Plattformen verhalten.
Das trifft auch auf die SBB zu, wie Andrew Shields kürzlich auf Facebook bemerkt hat (und natürlich auch auf die DB, die ÖBB und andere Unternehmen, die im öffentlichen Verkehr agieren). Damit sind zwei Aspekte gemeint:
- Die SBB verhalten sich generell immer stärker wie eine Plattform. Auf einer App ermöglichen sie es Kund:innen, auf die Nutzung von Verkehrsmitteln zuzugreifen – und gleichzeitig sprechen sie Anbieter:innen von Reisen und anderen Dienstleistungen an, die ihre Produkte über die SBB-App oder Plattform verkaufen können.
- Das Angebot der SBB durchläuft eine Enshittifaction in dem Sinne, dass die Qualität des Angebots sich laufend verschlechtert, bis es schließlich praktisch unbrauchbar wird. In einem ersten Schritt betrifft das Kund:innen, die für schlechtere Leistungen mehr zahlen sollen, damit mehr Profit für die Anbieter:innen rausschaut. In einem zweiten Schritt betrifft es die Anbieter:innen.
Was bedeutet das konkret? Hier einige Beispiele:
Wie viele Unternehmen schaffen die SBB starke Anreize für Kund:innen, Produkte digital zu kaufen. Damit ist ein Abbau von Kundenservice verbunden. Das bedeutet lange Wartezeiten am Schalter und am Telefon sowie eine Zentralisierung. Es ist schon länger nicht mehr möglich, direkt mit den Angestellten an einem Bahnhof Kontakt aufzunehmen – alle Telefongespräche laufen über eine Zentrale. Seit einiger Zeit sind die Telefongespräche zudem kostenpflichtig.
Diese Ausgangslage (Standardisierung des digitalen Zugangs, persönliche Beratung ist mit viel Aufwand verbunden) wird nun für weitere Verschlechterungen genutzt: Viele Anliegen wie Gruppenreisen für Schulen, Nachfragen zu Bussen etc. können nur von ganz spezifischen Mitarbeiter:innen bearbeitet werden, die dann gegenseitig auf die Schalter oder die Hotlines verweisen. Mitarbeitende am Schalter können auf bestimmte Datenbanken (Bussen) gar nicht zugreifen, dasselbe gilt für die Angestellten bei den Hotlines. Das führt einerseits dazu, dass viele Kund:innen aufgeben und die Wege des geringsten Widerstands wählen; andererseits führt es zu Frustration bei den Mitarbeitenden, die gerne eine gute Qualität anbieten würden, das aber gar nicht mehr können.
Symptomatisch dafür ist die Frage der Kulanz. Seit einiger Zeit büssen die Angestellten der SBB aufgrund von kleinsten Übertretungen zahlende Kund:innen – ein um Sekunden zu spät gelöstes Ticket oder ein falsch geschriebener Name reichen dafür. Der Ausbildungsverantwortliche antwortet auf die Frage, ob die Mitarbeitenden kulant sein dürften, wie folgt:
Es gibt einen Handlungsspielraum, der im Einzelfall genutzt werden kann. Aber nochmals: Vonseiten der Reisenden gibt es keinen Anspruch darauf. Kommt es zu einem Zuschlag, kann man sich an die zuständige Stelle wenden, die auf dem Formular aufgeführt ist.
Rüsch umgeht damit gekonnt das eigentliche Problem, das darin besteht, dass Angestellte sich an Vorgaben orientieren. Darin ist Kulanz nicht oder nicht mehr so vorgesehen, wie das früher der Fall war. Zudem gibt es kaum Möglichkeiten sich zu beschweren – Rüsch verweist auf eine «Stelle» und drückt damit aus, dass es gerade nicht möglich ist, sich am Schalter oder in der App über eine Busse zu beschweren.
Doctorow nennt vier Faktoren, die dazu führen, dass Plattformen und Unternehmen vor Enshittification geschützt sind. Fallen sie weg, dann durchlaufen sie den Prozess:
- Konkurrenz: Müssen Unternehmen befürchten, dass eine Qualitätseinbusse zu einem Umsatzrückgang führt, bieten sie wertvolle Produkte an. Die SBB hat bei bestimmten Strecken und Kundensegmenten praktisch ein Monopol – Konkurrenz kann die Enshittification nicht verhindern.
- Regulierung. Unternehmen, die gesetzliche Vorgaben erfüllen müssen oder Bussen befürchten, können ihren Service nicht beliebig verschlechtern. Die SBB kann sich mit der Alliance Swisspass gegen Regulierung zur Wehr setzen, insbesondere die strengen Bußen müssten politisch abgeschafft werden, was momentan aber nicht gelingt.
- Mitarbeitende. Geschulte Mitarbeiter:innen mit einem hohen ethischen Bewusstsein können Unternehmen vor einer Verschlechterung schützen. Das war bei der SBB lange Zeit so. Die Verwendung von Software für entscheidende Prozesse sowie die Einschränkung des Handlungsspielraums (Schaltermitarbeitende können keine Bußen-Entscheide überprüfen, Zugbegleiter:innen müssen auch bei kleinsten formalen Verstößen Bußen verteilen…) haben hier eine Qualitätsstütze einbrechen lassen.
- Self-help. Wenn Kund:innen sich gegenseitig unterstützen und Wege finden, um Dienstleistungen sinnvoll zu nutzen, so ist das nach Doctorow eine Bremse für Enshittification. Bei der SBB funktioniert das teilweise, die Schlupflöcher werden aber immer wieder gestopft. Gerade die Personalisierung über die App verunmöglicht es, Hacks zu finden, mit denen die Qualität der Dienstleistungen erhalten bleibt.

Könntest du bitte den SPAM Kommentar oberhalb löschen.
Hallo.
Wir sind ACCESS TO FINANCE, ein internationales Netzwerk von Kreditgebern. Sie sind auf der Suche nach einem Kredit für die Realisierung eines Projekts, haben Bankverbot oder anderes, ich bin Ihr Mann. Besorgen Sie sich einen Kredit zwischen 2.000 und 3.000.000 Euro, die Investition, von der Sie schon immer geträumt haben. Wir verfügen über ein sehr dynamisches Expertenteam, das Sie innerhalb von maximal 48 Stunden zufriedenstellt. Der jährliche Zinssatz beträgt 3 % und die maximale Kreditlaufzeit beträgt 300 Monate. Ob Sie einen Kredit oder eine Investition benötigen, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.
Kontakt: accesstofinances@gmail.com
Website: https://accesstofinances.wordpress.com
Lese sonst gerne deine Beiträge sehr gerne, dieser Text hier scheint mir aber sehr subjektiv abgefasst zu sein. Kurz zu den Fakten nach meiner Wahrnehmung: Ich kann mir ein Ticket über die SBB App kaufen oder auch andere Produkte wie Fairtiq nutzen. Alternativ stehen auch Billettautomaten an den Bahnhöfen oder grösseren ÖV-Haltestellen zur Verfügung. Auch Systeme wie Ticketsystem | Venda finde ich extrem einfach und sehr gut bedienbar.
Inwiefern verschlechtert sich das Angebot – wie im Artikel ausgeführt – laufend? Es fahren immer mehr Züge, der Takt wird immer dichter, auch das Nachtangebot wird ausgebaut.
Zu den erwähnten Punkten: Der telefonische Railservice kostete früher CHF 1.19/min, heute kann man von überall und rund um die Uhr zum Ortstarif auf die Hotline der SBB anrufen.
Zu den Bussen: Der Schutz der Kundendaten stellt sicher, dass nur eine beschränkte Zahl an geschulten Mitarbeitenden Zugang zu diesen Daten besitzt und nicht die halbe Schweiz darauf zugreifen kann. Wer eine Reise ohne gültigen Fahrausweis absolviert, erhält eine entsprechende Quittung und darauf ist der Kontakt aufgedruckt.
Zur Anwendung der Tarife: Gewisse Partner geben klare Vorgaben, wie die einzelnen Transportunternehmungen in ihrem Vertriebsgebiet die Kulanzregeln anwenden können. Zudem handelt es sich um Tarife der ÖV-Branche, welche alle Transportunternehmungen anwenden. Damit ist sichergestellt, dass ich von meiner Haltestelle Dreitannenstrasse Olten mit einem Billett aufs Jungfraujoch fahren kann. Beste Grüsse von einem «enshittificationierten» Bähnler.
Ich stimme diesem Kommentar von Christian voll und ganz zu. Meine Erfahrungen im Schweizer Öffentlichen Verkehr unterscheiden sich grundlegend von denen von Philippe, und das nicht nur in den von Christian beschriebenen Bereichen, sondern auch in anderen Aspekten des Systems. Habe dazu schon auf Facebook kommentiert… Aber grundsätzlich: Von jemandem wie Philippe, der die neuen Realitäten der Cyberspace-Gesellschaft intensiv analysiert und sich der soziologischen sowie philosophischen Dimensionen dieses Wandels bewusst ist, erwarte ich einen differenzierteren Beitrag sowie einen Beitrag, welcher nicht selbst grundlegenden Aspekten des Cyberspace und der digital-vernetzten Gesellschaft widersprechen. Es geht hierbei um folgende grundlegende Prinzipien:
Systemische Betrachtung: Die SBB sind Teil eines Netzwerks verschiedener Akteure im CH-ÖV. Verglichen mit der vordigitalen Ära haben wir es nun mit einem komplexeren, grossen kybernetischen System zu tun. Es ist daher unfair und kurzsichtig, den Betrieb isoliert zu kritisieren und ihm die Schuld zuzuschieben. Besonders aufschlussreich ist es, wenn sich manche Philippes Kritik anschliessen, dabei aber von Erlebnissen im ÖV außerhalb der Schweiz berichten, die vielleicht in einem SBB-Zug oder irgendwie SBB-bezogen stattfanden.
Mangelnde Transparenz: Philippe verschweigt, was genau passiert ist. Erst durch einen Austausch auf Facebook erfuhr ich, was er versäumt hat, bevor der Zug abfuhr. Im Cyberspace gilt: «Information will frei sein. Transparenz ist König.» Diese Maxime wird hier verletzt.