Die Instagram-Fachleiter*innen

Gestern fand in Clubhouse eine angeregte Diskussion über Lehrkräfte statt, die auf Instagram als Influencer*innen auftreten. Dabei haben wir diskutiert, weshalb sich diese Insta-Lehrenden oft an Menschen im Lehramtsstudium richten.

Für mich war klar, dass diese Zielgruppe erstens an Bildungscontent interessiert ist und zweitens Instagram intensiv nutzt. Entsprechend ist es naheliegend, so Resonanz zu erzeugen.

Hilal (ihr findet sie bei Insta hier) hat aber einen weiteren Aspekt eingebracht, der mir sehr einleuchtet: Sie übernehme für gewisse Aspekte des Studiums und des Referendariats Aufgaben, die eigentlich eine Fachleiterin übernehmen sollte. Offenbar gibt es gerade beim Übergang von der Uni zur Schule Aufgabenstellungen und Herausforderungen, bei denen sich junge Lehrende Hilfe bei Insta-Profilen holen, die sich an sie richten. Wenn man sich die Profile von Hilal oder Hülya (und anderen) genauer anschaut, dann merkt man, dass sie in den Stories und Kommentaren oft mit jungen Lehrkräften interagieren und ihnen Hilfe anbieten: Einerseits durch Tipps, andererseits dadurch, Stimmen von anderen sichtbar zu machen und so erprobte Praxislösungen zu sammeln.

Wenn man den Blick von diesen Insta-Profilen löst und ihn auf die Ausbildung von Lehrkräften richtet, dann scheint es eine Art Vakuum zu geben: Es fehlen Ansprechpersonen, die man bei Unsicherheiten niederschwellig kontaktieren kann. Dieses Vakuum wird auf Instagram teilweise gefüllt – was nicht unproblematisch ist: Hilal und Hülya betreiben das als Hobby, investieren aber Arbeitszeit in Aufgaben, für die sie nicht entschädigt sind. Gleichzeitig besteht (bei anderen Profilen) auch die Gefahr, dass in dieser Nische Blender*innen Fuß fassen und mit unreflektierten Tipps und schlechtem Material einen Einfluss auf junge Lehrkräfte haben, der keiner Qualitätskontrolle unterliegt.

Ein Diskussionsteilnehmer hat die Perspektive von jungen Menschen auf dem Weg zum Beruf auf den Punkt gebracht: Sie suchen Hilfestellungen und Diskussionen abseits von einem akademischen, abgehobenen Diskurs, der oft von Menschen bestritten wird, welche die Situation von Jugendlichen aus ganz unterschiedlichen Lebensbereichen oft nicht genau kennen. Gleichzeitig wollen diese jungen Menschen aber auch nicht verarscht werden. Hülya und Hilal füllen eine Lücke zwischen universitärem Habitus und Instrumentalisierung eines jungen Publikums. Instagram ist das Medium, auf dem sie ein Publikum erreichen, das hier nach konkreten Angeboten suchen.

Zudem haben sie eine entscheidende Vorbildwirkung: Hilal hat erklärt, dass sie trotz widriger Umstände und abschmetternden Urteilen von Lehrer*innen ihren Weg gegangen ist und nun Mut machen möchte. (Hilal klärt auch über Rassismus auf und führt Gespräche mit Expert*innen auf ihrem Kanal.)

Mein Fazit nach der gestrigen Diskussion: Das System müsste diese Instagram-Fachleiter*innen einbeziehen und über das Vakuum nachdenken, das aktuell besteht.

Ergänzungen (nach einigen Twitter-Diskussionen):

  1. Ich in Dozent für Fachdidaktik Deutsch und unterrichte aber gleichzeitig auch an einer Schule. Die Studierenden meiner Module vernetzen sich in Chat-Gruppen und haben so auch direkten Kontakt zu mir. Bei Fragen helfe ich ihnen – nur bei der Lehrprobe kann ich keine Unterstützung leisten, weil ich bewerte. Bis dann haben sie aber insbesondere mit Fachlehrkräften einen so guten Kontakt, dass sie nicht auf meine Hilfe angewiesen sind. Dieses System verhindert das beschriebene Vakuum.
  2. Auf Instagram gibt es unreflektierte, problematische Profile von Lehrenden. Sie geben vor, helfen zu wollen und über didaktische oder pädagogische Fragen nachzudenken, nutzen das aber primär zur Selbstinszenierung. Diese Konten meine ich explizit nicht mit diesem Beitrag.

1 Kommentar

  1. mebîmabo sagt:

    Wenn schon denn schon müssten die GAFAMs diese Personen entschädigen, die denen hochwertigen Content schenken, sicher nicht die Institutionen, für die sie unterrichten oder sonstwie beruflich tätig sind.

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