Sichtbarkeitsregime – was Elon Musk so gefährlich macht

Elon Musk und seine Anhängerschaft feiern die Zerstörung von Twitter und sein Ersatz durch X oft mit Argumenten, die mit Meinungsfreiheit zu tun haben. Musk inszeniert sich als Kämpfer gegen Zensur von Plattformen und von Staaten, obwohl er auf seinen Plattformen und durch seine Machtübernahme in den USA unliebsame Meinungen mit aller Kraft unterdrückt.

Diesen Widerspruch lässt sich begrifflich einfach auflösen: Musk übt seine Macht in einem Sichtbarkeitsregime aus. In einem Zeit-Artikel (💰) wird hat Johannes Schneider den Begriff vorgestellt:

Wie also soll man Phänomene nennen, die Zensur und Propaganda ähneln, aber sich nicht in staatlichen Institutionen, sondern in Sphären des Privaten vollziehen? Der Vorschlag hier wäre: Sichtbarkeitsregime. [Der Begriff] beschreibt nicht nur, wie autoritär strukturierte Social-Media-Präsidenten und ihre Netzwerkbetreiber den Diskurs bestimmen, indem sie ihn mit Unrat fluten. Zu etwas grundsätzlich Neuem und spezifisch Bösem wird das schließlich erst in Kombination mit technischen Möglichkeiten, andere Meinungen einfach verschwinden zu lassen. Mit konzentrierter Macht über Öffentlichkeit und dem Know-how, sie auch auszuüben, können plötzlich sehr wenige Personen darüber entscheiden, was überhaupt wahrgenommen wird. Besser – weil zugleich unauffälliger und umfassender – ließen sich Untertanen noch nie lenken.

Denn genau das ist es, was das Sichtbarkeitsregime aus Bürgern am Ende des demokratischen Zeitalters wieder macht, beziehungsweise machen kann: Untertanen. Auf einmal sind wir hoffnungslos vereinzelt, einer gemeinsamen Öffentlichkeit beraubt und damit auch der demokratischen Willensbildung. Zwar gab es sogenannte Gatekeeper, die Informationen gewichten und vorsortieren, schon immer, auch Zeitungen oder Onlinemedien gehören dazu. Doch klassische Medien konnten und können sich gegenseitig Fehler nachweisen, auch blinde Flecken. Den Plattformbetreibern wiederum kann niemand etwas nachweisen, schon gar nicht, dass sie bestimmte Meinungen mit politischem System unsichtbar machen. Dass sich dahinter nicht nur Bugs im Algorithmus verstecken: Wer vermag das sagen? Niemand kennt ihn schließlich – Betriebsgeheimnis, und im Zweifel auch betriebsintern kaum mehr zu durchschauen.

Der Begriff hat einen philosophischen Hintergrund, den man erahnen kann, wen man diese Zusammenfassung liest, die ich mit Perplexity erstellt habe. Das Fazit des KI-Textes bringt wesentliche Aspekte auf den Punkt:

Sichtbarkeitsregime operieren an der Schnittstelle von Macht, Wissen und visueller Praxis. Während Foucaults disziplinäre Logik in Überwachungstechnologien fortlebt, verlangt die digitale Ära neue Analyseinstrumente, um algorithmische Kontrolle und datengetriebene Singularisierung zu erfassen. Judith Butlers Fokus auf Anerkennung bleibt zentral, um zu verstehen, wie Marginalisierung durch Sichtbarkeitsordnungen perpetuiert wird. Zukunftsforschung muss interdisziplinär arbeiten – von der Bildungsethnografie bis zur KI-Ethik –, um die ambivalente Rolle von Sichtbarkeit in Demokratien zu entschlüsseln. Nur so lässt sich ein kritisches Bewusstsein schaffen, das Sichtbarkeit nicht nur als Kontrollmechanismus, sondern auch als Ressource für emanzipatorische Kämpfe begreift.

Musks Sichtbarkeitsregime hat in den letzten Woche eine noch nie dagewesene Potenz erhalten, da es drei Elemente kombiniert:

  1. Eine wichtige digitale Plattform (X), die Musk ohne Einschränkung kontrollieren kann, um Einfluss auf den öffentlichen Diskurs zu nehmen. (Das hat er schon getan, als er bei einer Abstimmung im Parlament eigene Beiträge allen User:innen prominent anzeigen liess und so die Abstimmung direkt beeinflusste.)
  2. Ein leistungsfähiges KI-Tool (Grok).
  3. Zugang zu sämtlichen Regierungsdaten der USA (von Steuererklärungen über Zahlungsdaten bis hin zu Polizei- und Geheimdienstakten).

Musk kann nun die Sichtbarkeit nicht nur über X steuern, sondern auch die Sichtbarkeit von Regierungsdaten beeinflussen. D.h. er kann im grossen Stil Doxing betreiben, also Informationen veröffentlichen, die nicht öffentlich sein sollten. Das ist nur ein Aspekt des Problems: Die Regierungsdaten können auch als Trainingsdaten für Musks KI verwendet werden, die wiederum über X an zahlende Kund:innen verkauft wird.

Musk nutzt die KI und den Zugang zu Regierungsdaten aktuell auch dafür, um bestimmte Institutionen und Dienstleistungen der Bundesregierung der USA einzuschränken oder abzuschaffen. Wie das geschieht, ist genauso intransparent wie die Steuerung der Algorithmen auf digitalen Plattformen.

Schneider schreibt zu den Auswirkungen des Sichtbarkeitsregimes:

Ob ich nur aufgrund eines Glitches bei Instagram plötzlich ständig MAGA- und AfD-Reels angezeigt bekomme oder ob dahinter eine bewusste Strategie steckt: Ich weiß es im Zweifel nicht. Äußere ich trotzdem den Verdacht auf Manipulation, breche ich selbst die Regeln des faktenbasierten Diskurses. Am Ende verstummen wir freiwillig, weil sich eh nichts mehr überzeugend darlegen lässt oder eine Gruppe überhaupt verlässlich unsere Erfahrung teilt.

Mit Musk betrifft das nun plötzlich auch die Regierung: Es ist unklar, ob Probleme entstehen, weil Fehler gemacht wurden – oder ob das Absicht ist. Wer sich dagegen wehren will, kann nicht nachvollziehen, was Musks DOGE-Agentur genau gemacht hat, wie sich das auf die Regierungstätigkeit auswirkt. Musk hat also das Sichtbarkeitsregime von X auf die Bundesregierung ausgeweitet.

Das macht Bürger:innen zu Untertanen. Verkauft wird das als Effizienzgewinn, als Kampf gegen Verschwendung und als Einsatz für die Meinungsfreiheit und Meritokratie – obwohl völlig intransparent ist, was mit Effizienz gemeint ist, wessen Meinungen sichtbar werden oder was als Leistung wahrgenommen wird. Niemand kann überprüfen, was Musk genau macht. Im Zweifelsfall verhält er sich wie bei den Computerspielen, bei denen er betrügt, um besser dazustehen.

Symbolisch für das Sichtbarkeitsregime sind die Faktenchecks, die als Community Notes auf Twitter erscheinen. Auch sie sind kein transparentes, demokratisches Mittel, sondern ein Herrschaftsinstrument des Sichtbarkeitsregimes, das willkürlich gewisse Aussagen relativieren und andere verstärken kann.

27 Kommentare

  1. Avatar von 1258sdf629 1258sdf629 sagt:

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  2. Avatar von Unbekannt Anonymous sagt:

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