KI-Nutzung bei Maturitätsarbeiten und schriftlichen Arbeiten – Grundeinsichten

Mit den Lehrpersonen eines größeren Schweizer Gymnasiums habe ich kürzlich darüber nachgedacht, was KI-Tools für die Wahrnehmung und Beurteilung von Maturitätsarbeiten bedeuten. Meine Unterlagen findet man hier.

Nimmt man die Darstellung des Arbeitsprozesses aus dem Kompass von Brunold, dann zeigt sich, dass KI grundsätzlich in allen Arbeitsschritten eingesetzt werden kann.

Besonders hervorheben möchte ich drei weniger bekannte Aspekte:

(1) Die «Deep Research»-Funktionalität (eine Einführung habe ich hier vorgenommen) der wichtigsten KI-Applikationen schreibt eine Art Forschungsplan für eine Maturitätsarbeit, sucht Quellen und schreibt fokussiert ganze Kapitel inklusive Forschungsbezüge. Im Screenshot sieht man Perplexity:

(2) ChatGPT kann Daten aus einem pdf-oder Excel-File auswerten und visualisieren – das sieht dann etwa so aus.

(3) Zudem können Anwendungen wie gamma.app problemlos ganze Präsentationen generieren, die hervorragend aussehen. Auch hier ein Eindruck der Ergebnisse:

Was bedeutet das nun für solche längeren schriftlichen Arbeiten? Wie sollten wir als Verantwortliche und als Betreuer:innen damit umgehen? Die Frage würde ich mit einer Darstellung beantworten, welche aus dem KI-Buch von Sara Aloatti und Filomena Montemarano stammt. Die Autorinnen stellen dabei das Ich der Schülerin oder des Schülers in den Mittelpunkt:

Wichtig ist nun, dass Schüler:innen die Arbeit als die eigene Arbeit sehen, hinter der sie stehen können, die sie verantworten und in der sie ausdrücken, was sie gelernt und verstanden haben. Daraus leiten sich die folgenden Grundeinsichten ab.

  1. Die Maturitätsarbeit ist eine Erfahrung für die Schüler:innen.
    Schüler:innen sollten an der Schule Erfahrungen machen, die ihnen sonst nicht möglich sind. Das gilt auch für grössere schriftliche Arbeiten. Nehmen sie dabei Abkürzungen, bringen sie sich um diese Möglichkeit. Zudem erwerben sie wichtige Kompetenzen, die sie auch fürs Studium brauchen, gerade dann nicht, wenn sie KI einsetzen. (Sie erwerben aber möglicherweise andere…)
  2. Lehrpersonen kennen die Möglichkeiten (die Schüler:innen auch). Niemand macht sich etwas vor.
    Wer ernsthaft zusammenarbeitet, sollte nicht davon ausgehen (müssen), eine der beteiligten Personen sei naiv. Das gilt auf alle Seiten. Wenn es Einladungen gibt, Technologie auszuprobieren, wird das für alle sichtbar, weil alle wissen, dass die grundlegenden Erfahrungen vorausgesetzt werden können. Auf dieser Basis ist eine Reflexion der Nutzung möglich.
    (Ein Verbot hingegen führt immer zu einem Spiel rund um Umgehung und Durchsetzung, es ändert die Rollen und erschwert einen Umgang mit der Technologie auf Augenhöhe.)
  3. Seriöse Nachweise sind unumgänglich.
    KI-Tools generieren möglicherweise Quellen, die zitiert werden (nicht als wissenschaftliche Quellen). Viel öfter verändern sie aber Arbeiten auf eine Art und Weise, die Leser:innen transparent gemacht werden muss.
    Eine Möglichkeit ist, die Nutzung zu beschreiben oder Prompt-Journale zu hinterlegen. Viele Tools erlauben es Nutzer:innen, Links zu generieren, mit denen die Anfragen und Antworten eingesehen werden können.
    Wie der Einsatz auch komplexer Tools nachgewiesen werden kann, hat etwa Robin Fürst für Arbeiten an Schulen genau festgehalten (pdf).
  4. Schüler:innen können KI-Anwendungen in Projekte einbauen.
    Viele Formen der Arbeit mit Wissen und Erkenntnis beziehen KI-Werkzeuge mit ein. Maturitätsarbeiten sollten diese Möglichkeit offensiv nutzen und wenn es sinnvoll und themenbezogen denkbar ist, gehören diese Anwendungen in die Arbeit – und zwar im Vordergrund, nicht im Hintergrund.
  5. Lehrpersonen setzen KI-Tools im Betreuungsprozess bewusst ein und reden mit den Schüler:innen über Ergebnisse.
    Sich anzuschauen, wie ein LLM eine bestimmte Fragestellung beantworten würde oder wie ein Tool wie Perplexity eine Maturitätsarbeit zusammenfasst, ist sehr aufschlussreich. Hier gibt es eine Reihe von Verfahren, die Lehrpersonen helfen können, mit Texten umzugehen und Schüler:innen auf Schwachstellen hinzuweisen.
  6. Wir führen offene Gespräche.
    Über Geschlechtsverkehr zu reden, fällt vielen Menschen schwer. Ärzt:innen müssen das aber teilweise tun. Am einfachsten geht das, wenn sie es offen machen, sagen, warum sie das tun müssen und wenn sie mit den Antworten respektvoll umgehen und sie nicht werten. Genau so ist es mit KI-Nutzung: Lehrpersonen sollten sie offen thematisieren, nicht mit der Haltung, Schüler:innen bei etwas Verbotenem ertappen zu können, sondern sie in einem Arbeitsprozess zu unterstützen, der ‚auch‘ KI-Tools umfasst.
    Gelingt das, braucht es nicht zwingend eine Defensio oder ein Fachgespräch, indem eine Art mündliche Prüfung zeigen soll, ob Lernende die Arbeit wirklich selber geschrieben haben.

Eine Maturitätsarbeit ist letztlich eine Spur einer intensiven Auseinandersetzung. Wichtig ist eine Form zu finden, in denen Schüler:innen diese Auseinandersetzung annehmen und vertieft führen können. Wenn sie davon ausgehen, der Wert der Arbeit liege allein in der Spur, dann liegt ein Missverständnis vor. KI ist nicht fundamental verschieden von Forschungsgruppen, Verwandten oder Lehrpersonen, die Schüler:innen bei einer Arbeit unterstützen. Wenn sie die folgenden Aspekte – die auch eine Art Bewertungsgrundlage sein könnten, wenn es denn eine braucht – fördern und vertiefen, dann liegt eine Unterstützung vor. Wenn sie dazu führen, dass sie umgangen werden oder abflachen, liegt ein Problem vor. Verantwortlich dafür sind Lernende und Lehrende gemeinsam.

4 Kommentare

  1. Avatar von Unbekannt Anonymous sagt:

    ich finde es gut, dass er sagt KI sollte nicht verboten werden, sondern man sollte die richtige Nutzung den Schülern zeigen.

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